Mitte März hat die DGNB gemeinsam mit der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und der Bundesarchitektenkammer (BAK) ein Positionspapier veröffentlicht. Im Kern steht die Forderung an die künftige Bundesregierung nach 1 Million klimaneutraler Sanierungen im Bestand pro Jahr, 1 Million Sanierungsfahrplänen, 100% Transparenz und 100 Tage für Weichenstellungen. In einem gemeinsamen Event haben die Partner des Aktionsbündnisses ihre Forderungen nochmals einem Faktencheck unterzogen und kritische Fragen beantwortet.

Wie relevant Forderungen des Bündnisses sind, zeigt die nahezu zeitgleich veröffentlichte Klimabilanz der aktuellen Regierung. Denn das Ergebnis lautet: Der Sektor „Gebäude“ ist durchgefallen.
Zunächst noch einmal zum Warum der Position: Hier stellen die Referenten direkt zu Beginn fest, dass in den vergangenen Jahren zu wenig über den Gebäudesektor gesprochen worden ist. Gleichzeitig befinden wir uns in einer Situation, in der schnell Maßnahmen gefunden werden müssen, die geeignet sind, die CO2-Emissionen zu reduzieren. Denn Dr. Anna Braune, DGNB Abteilungsleiterin Forschung und Entwicklung, bringt es in der Kurzvorstellung der Position auf den Punkt: Mehr als ein Drittel der klimaschädlichen Emissionen in Deutschland werden durch den Betrieb von Gebäuden verursacht. Dennoch sei das Sanierungstempo katastrophal langsam. Und die Lücke drohe so groß zu werden, dass sie nicht mehr geschlossen werden kann.
Heißt: Die Zeit drängt und es gelte, – trotz aller Zielkonflikte – realisierbare Lösungen zu suchen. Womit wir beim Kern des Faktenchecks wären: Sind die Forderungen von DGNB, BAK und DUH realisierbar? Und wenn ja, wie?
Alle, die den Diskurs noch einmal ausführlich nachvollziehen wollen, gelangen hier direkt zum Mitschnitt des Events.
Wer soll das alles bezahlen?
Eine der drängendsten Fragen ist die nach der Finanzierung. Hier betont Anna Braune direkt zu Beginn: „Die Frage müsste eigentlich lauten, wer soll das alles wann bezahlen.“ Denn hier sind sich die Referenten einig. Je früher wir starten, desto günstiger wird die Realisierung der notwendigen Maßnahmen sein – in ökonomischer und gesellschaftlicher Hinsicht. Jedes Jahr, das wir warten, steigen die Kosten.
Gleichzeitig betonen die Vertreter des Bündnisses, dass die Voraussetzung ein geeigneter, verlässlicher Förderrahmen sei. Nicht nur ist, laut Barbara Metz von der Deutschen Umwelthilfe, die Beantragung von Förderungen „eine Wissenschaft für sich“, insgesamt wären die Summen auch zu gering. 25 Milliarden Euro pro Jahr seien realistisch, um im Bestand einen klimazielkompatiblen Standard bei Vollsanierung zu erreichen. Zudem betont die stellvertretende Bundesgeschäftsführerin der DUH, dass aktuell relevante Summen in Maßnahmen fließen, die nicht kompatibel mit den Zielen sind, zu denen sich die Bundesregierung im Pariser Abkommen verpflichtet hat. Es gelte also, insgesamt staatlicherseits Mittel aufzustocken und deren klimazielkonformen Einsatz zu sichern.
Doch auch Förderung alleine reiche nicht aus. Es brauche zudem einen ordnungsrechtlichen Rahmen für den Umgang mit unserem Bestand, wie Markus Müller, Präsident der Architektenkammer Baden-Württemberg, betont. Dieser könne dann unter anderem auch CO2-Bepreisung heißen und klimaschutzkonformes Handeln auch wirtschaftlich deutlich sinnvoller machen.
100% Transparenz – geht das?
Neben der finanziellen Perspektive auf die Herausforderungen, stellt sich zudem die Frage nach der Umsetzung der Sanierungen in der Praxis. Hier lautet das Stichwort: Planbarkeit. Und die setzt Daten und entsprechend Transparenz voraus. Doch Stand heute haben wir „schlicht und ergreifend für den Gebäudebestand keine systematischen Daten“, hält Müller fest. Deshalb müsse ein Monitoring eingeführt werden. Das Positive ist, dass Klimawandel bzw. -schutz physikalischen Größen folgt und über den CO2-Faktor gut umrechenbar sei, wie Braune hervorhebt. Doch wir müssen eben auch hinschauen. „Die 100% Transparenz sind das absolut notwendige Mittel, um in ein aktives Steuern zu kommen. Woher kommen welche Emissionen? Wo geht man am besten ran?“, mahnt die DGNB Abteilungsleiterin für Forschung und Entwicklung.
Nun ist der Schutz von Daten ein relevantes Thema, doch kein Grund auf Planbarkeit zu verzichten. So schlägt Barbara Metz vor, zunächst mit öffentlichen Gebäuden zu starten und diese in ein Transparenzregister einzutragen. Der Staat habe per Gesetz eine Vorbildfunktion zu erfüllen und könnte vorangehen. Eine Differenzierung, wer die Daten einsehen darf, wäre ein weiterer Ansatz. Zudem empfiehlt sie einen Blick auf die Lösungen unserer europäischen Nachbarn, konkret auf den Ansatz Dänemarks: „Denn dort gibt es eben ein entsprechendes Transparenzregister und auch dort wird man sich die Frage nach Datenschutz und so weiter gestellt haben.“
Wer soll das denn alles machen?
Planbarkeit schaffen zudem Sanierungspläne – und das nicht nur für die jeweiligen Gebäude. „Wenn wir mal uns klar machen bei jedem Objekt über Klimaschutzfahrpläne, über Sanierungsfahrpläne: Was ist an den Objekten zu tun? Wenn wir das ordentlich auswerten und der Industrie [bereitstellen] für die serielle Sanierung, für den Aufbau von Kapazitäten, für das Schaffen von Fabriken, die dort die Produkte herstellen, den Aufbau von Kapazitäten bei den Planerinnen und Planern, den Banken“ dann werde es, so Braune, planbar und schaffbar.
Brauchen wir noch mehr Bürokratie?
Hilfreich bei der Umsetzung könnte – trotz ihres gemeinhin schlechten Rufes – die Bürokratie sein. Denn diese ist nicht per se schlecht. Es müsse nur die richtige sein. Zwar merkt Markus Müller an, „wir müssen da schon drauf achten, dass das Design dieser Steuerungsinstrumente so ist, dass wir uns nicht nur noch mit Statistiken beschäftigen. Nur muss man eben, das ist eben auch der Ansatz, die Instrumente so wählen, dass es denn eben auch klappt.“ Und Bürokratie impliziert auch Gründlichkeit. Mit den Worten von Anna Braune formuliert: „Wenn wir etwas anfassen, dann machen wir es auch gründlich.“
Gleichzeitig könne bzw. müsse man überlegen, ob bei einem Bürokratieaufbau an der einen, ein Bürokratieabbau an anderen Stellen sinnvoll ist, wie z.B. beim Thema Förderung, wie Metz einwirft.
Auf welche politischen Ebenen kommt es an?
Dass diese Pläne grundsätzlich politisch gerahmt und geleitet sein müssen, ist klar. Doch sind sich die Referenten auch einig: Es kommt auf alle politischen Ebenen an. Aktuell sei Europa „der Motor der Entwicklung und auch Mahner in ganz verschiedenen Bereichen“, so Müller. Und Metz hält fest: „60 Prozent der Vorgaben, die wir hier in Deutschland haben, kommen aus Europa. Und auch dort wird ja gerade intensiv über die Mindeststandards für Gebäude diskutiert.“ Wie Vorgaben konkret ausgestaltet werden, sei jedoch eine Frage der bundespolitischen Ebene. Genau hier gelte es aktuell aufzuholen – weshalb das Aktionsbündnis ihre Position eben auch bundespolitisch adressiert hat.
Sind die Forderungen nun ambitioniert? Mit Sicherheit. Dies zeigen nicht nur die Sanierungssollwerte, die Müller zum Ende der Diskussion nennt. Um unsere Ziele zu erreichen, müssten wir unsere Zahlen verachtfachen. Hierfür brauche es eine Anlaufkurve. Dennoch wird im Diskurs deutlich: Es gilt zu starten. Besser früher als später. Datenbasiert. Zielkonflikte im Blick. Lösungs- und zielorientiert. Dann kann es gelingen.
Den vollständigen Mitschnitt der Veranstaltung zum Nachschauen, finden Sie hier:
Einige Male erwähnt wurde in der Diskussion das Urteil des Bundesverfassungsgericht zum Klimaschutzgesetz. Hier war die Bundesregierung in der Pflicht nachzubessern und forderte im Anschluss Organisationen wie die DGNB auf, hierzu Stellung zu beziehen. Das Schreiben der DGNB finden Sie hier.