Tequila, Azteken und Kriminalität waren die ersten Dinge, die mir durch den Kopf gingen, als mich die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) auf eine internationale Konferenz zum Thema „Nachhaltige Industriestandorte und deren Bewertung“ eingeladen hat. Doch ist dies nur eine Seite von Mexiko.
Mit einer Gesamtfläche von circa zwei Millionen Quadratkilometern ist Mexiko fast sechsmal so groß wie Deutschland und bietet Heimat für 120 Millionen Menschen. Durch seine geographisch günstige Lage zwischen Nord- und Südamerika hat sich Mexiko in den letzten Jahrzehnten zu einem zentralen Dreh- und Angelpunkt für Waren entwickelt. Auch deutsche Unternehmen wie Volkswagen, Daimler und die DHL haben in Mexiko eigene Werke bzw. große Logistikstandorte. Die Hauptstadt Mexico City, die 2.300 Meter über dem Meeresspiegel liegt, bildet mit ihren circa 20 Millionen Einwohnern den wichtigsten Wirtschaftsstandort des Landes. Bedingt durch die geographische Lage und den stetig steigenden Individualverkehr zählt die Luftqualität in Mexiko City zu einer der schlechtesten der Welt.
Grün ist nicht gleich grün
Den immensen Verkehr bekamen wir am ersten Tag der Konferenz zu spüren. So dauerte eine für den Vormittag angesetzte Exkursion zu zwei „grünen“ Logistikstandorten am Rande der Stadt durch den immensen Verkehr zwei Stunden länger als geplant. An den Parks angekommen wurden wir mit dem Bus durch die Gebiete gefahren. Es erwarteten uns riesige Logistikhallen und großflächig versiegelte Außenräume. Bei dem ersten Logistikpark mit dem Namen „Très Rios“ (drei Flüsse), bekamen wir auf die Frage, wo denn die Flüsse zu finden sind die Antwort: „Einer der Flüsse führt nur selten Wasser, den Zweiten mussten wir unter die Erde legen und beim Dritten wissen wir nicht, wo er liegt“.
Der zweite Logistikpark „CPA Logistics Center San Martin Obiapo“ wurde auf einen Hang gebaut, mit einem wunderschönen Ausblick auf Mexiko City. Eine eher untypische Lage für einen Logistikpark. Der Park wurde uns als „Green Park“ angepriesen. Auf die Nachfrage, warum dieser so bezeichnet wird, bekamen wir die Antwort, dass alle Gebäude den LEED Kriterien entsprechen. Der Außenraum war auch nicht wirklich „green“, denn die Hänge wurden vollständig mit Spritzbeton überdeckt, um das Abrutschen zu vermeiden.
Game of Zones – Nachhaltigkeit einmal spielerisch
Nach diesem ersten Realitätscheck fuhren wir zurück, um gemeinsam mit den Teilnehmern der Konferenz das Spiel „Game of Zones“ zur Entwicklung von nachhaltigen Industriestandorten zu testen. Dieses wurde im letzten Jahr im Auftrag der GIZ von dem Berliner BuroHappold Engineering und der DGNB gemeinsam entwickelt. Jede der 264 „Spielkarten“, die auf der DGNB Systematik beruhen, beschreibt eine Maßnahme, die am Industriestandort umgesetzt werden kann, und zeigt dessen Wechselwirkungen mit anderen Bereichen auf. Das Spiel kann sowohl durch Laien wie auch Experten auf dem Gebiet in unterschiedlichen Varianten als „Ice Breaker“, Strategiespiel oder zum „Industrial Poker“ verwendet werden.
Wettbewerbsfähig durch Nachhaltigkeit
Auf der Konferenz „Industrial Areas: Be Competitive through Sustainability, Criteria for Best Practices“, die vom 13. bis 14. Oktober 2015 stattfand, wurde an den folgenden Tagen über Strategien und Kriterien diskutiert, wie Gewerbe- und Industriegebiete nachhaltig entwickelt und betrieben werden können. Bei der Konferenz handelt es sich um eine Serie, die zuletzt in Indien und der Türkei durch die GIZ in Kooperation mit lokalen Partnern durchgeführt wurde.

Stephan Anders bei der Konferenz „Industrial Areas: Be Competitive through Sustainability, Criteria for Best Practices“
Schon 2013 präsentierte Jochen Rabe von BuroHappold das damals neue DGNB System für nachhaltige Industriestandorte in Indien, welches auf großes Interesse stieß. Dem Vortrag damals vorausgegangen war eine Studie im Auftrag der GIZ zu Best-Practice-Beispielen von Industriestandorten in Indien sowie eine Analyse, wie das DGNB System für Industriestandorte an die indischen Rahmenbedingungen angepasst werden müsste. Die Studie und Analyse wurde gemeinsam mit der DGNB durchgeführt und soll zukünftig intensiviert und weitergeführt werden.
In diesem Jahr konnte ich nun gemeinsam mit Jochen Rabe über unsere ersten Erfahrungen bei der Anwendung des Systems an mittlerweile vier Standorten in Deutschland berichten. Der Vortrag stieß bei dem internationalen Publikum auf großes Interesse. Nicht ohne Grund, denn die Entwicklung industriell genutzter Flächen schreitet weltweit enorm voran. So wurden in Indien vier Entwicklungskorridore für Industriegebiete zwischen den großen Metropolen ausgewiesen. Die erste ist mit 300 mal 400 Kilometer halb so groß wie Deutschland! Gesucht werden Strategien und Werkzeuge, um die wirtschaftliche Entwicklung sowie Ressourcen- und Umweltschutz zusammenzubringen. Denn in einem sind sich alle Konferenzteilnehmer einig: Nachhaltiges Handeln bedeutet Wettbewerbsfähigkeit. Das DGNB System für Industriestandorte kann dabei helfen.