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Jeder Schritt zählt – Resumee zur BAU 2021

BAU ONLINE 2021

1660 Anmeldungen, 16 gut besuchte Veranstaltungen und engagierte Diskussionen – der DGNB Kongress im Rahmen der BAU ONLINE 2021 hat wieder gezeigt, wie gefragt der Diskurs rund ums nachhaltige Bauen ist. Und das geht auch digital. An drei Tagen sprachen Referenten und Teilnehmer über Fortschritt und Hürden beim klimagerechten Bauen, bei der Materialwahl und in der Planungspraxis. Ein zentrales Fazit: Lasst uns endlich anfangen, denn jeder Schritt zählt.

Ganz klar, die Relevanz der Nachhaltigkeit im Bauen nimmt weiter zu und stößt auf großes Interesse. Das wurde nicht nur beim Blick auf die Leitthemen der diesjährigen BAU ONLINE deutlich; Klima- und Ressourcenschutz standen im Fokus. Auch die Teilnehmerzahlen beim DGNB Kongress zeigen, dass das Interesse an Nachhaltigkeitsthemen hoch ist.

Besonders beliebt: Frühstückstalks

Die BAU ist die weltweit größte Messe für Architektur, Konstruktion und Materialien. Wer wissen will, was den Bausektor derzeit beschäftigt, erhält hier einen guten Eindruck. Dieses Jahr schalteten sich laut Messe 38.325 Teilnehmer aus 138 Ländern zu. Für alle, die nicht dabei waren, haben wir unsere Frühstückstalks resümiert. Diese Diskussionsrunden mit Experten der Branche waren nicht nur besonders beliebt, sondern zeigen auch, welche Themen im nachhaltigen Bauen gerade heiß diskutiert werden.

Talk 1: Wie nachhaltig ist der Bausektor heute?

Zufriedenheit über die Entwicklung der letzten Jahre, Besorgnis über das, was in den kommenden Jahren alles passieren muss und klare Entschlossenheit, dass es genug Lösungswege gibt, um den Bausektor zu transformieren. So könnte man die Stimmung dieser Runde zusammenfassen.BAU Frühstückstalk

Von der Avantgarde zum Standard sei Nachhaltigkeit geworden, sagt Prof. Matthias Rudolph, der an der Staatlichen Akademie der Künste Stuttgart lehrt, und meint damit, dass es heute auch die großen Projektentwickler sind, die das Thema vorantreiben. Um die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 zu reduzieren, müsse das Thema jedoch noch mehr in die Breite. Doch wie schafft man das und worauf kommt es an? Nachhaltigkeit ist eine Sache der Gestaltung, meint Amandus Samsøe Sattler, DGNB Präsident und Geschäftsführer von Allmann Sattler Wappner Architekten. Es gehe nicht mehr nur um die Frage der Form, sondern um das, was das Gebäude nachhaltig gut mache und das sollten Architekten auch zeigen.

Mit seinen Fragen bringt Prof. Alexander Rudolphi, Bauingenieur und einer der Initiatoren der DGNB, die vieldiskutierten Themen der Suffizienz und des Komforts in die Runde. Wir hätten ein Niveau erreicht, das nicht übertragbar wäre auf den Rest der Welt. Brauchen wir wirklich weit über 40 Quadratmeter pro Kopf? Und Rudolph plädiert für die Suche nach einem  angemessenen Mittelweg zwischen einem „dummen“ und einem überfrachteten „smarten“ Gebäude. Denn Technik sei nicht zwangsmäßig die Lösung. Das zeigen nicht zuletzt gebaute Lowtech-Beispiele aus der Vergangenheit. Viel mehr noch wurde besprochen. Vier zentrale Botschaften haben wir festgehalten:

  • „Lasst uns klare und deutlich Ziele setzen. Was können wir uns leisten? Diese Zahl kann man nennen. Alles, was wir tun sollten wir daran messen.“│Prof. Alexander Rudolphi
  • „Jede neue Lösungsidee braucht ihre Zeit der Regulation in der Nutzung. Deshalb brauchen wir ein Monitoring und die Verbrauchsdaten, um den effizienten Betrieb sicherzustellen.“ │Prof. Matthias Rudolph
  • „Wir gehen durch die Stadt und sehen ständig neue Löcher, wieder fehlt ein Haus. Wir sollten auf Herz und Nieren prüfen, was wir erhalten können.“│Amandus Samsøe Sattler
  • „Lasst uns vor allem einfach anfangen.“│Dr. Christine Lemaitre, DGNB Vorstand

Talk 2: Worauf kommt es bei der Materialwahl an?

Bauprodukte haben einen erheblichen Einfluss auf die Nachhaltigkeit eines Gebäudes. Klimaschutz, Gesundheit des Menschen aber auch Ressourcen- und Umweltschutz sind deshalb Themen, mit denen sich auch Produkthersteller auseinandersetzen – zumindest die drei Diskussionsteilnehmer dieser Runde. Offen und reflektiert stellen sie nicht nur dar, was schon gut läuft, sondern thematisieren auch Hemmschwellen und Potenziale – sicherlich besonders interessant für alle zuhörenden Hersteller. Die zentralen Ziele der auf Nachhaltigkeit fokussierten Vorreiter in der Bauindustrie: eine klimafreundliche und möglichst schadstofffreie Produktion, Transparenz der Lieferkette und der Informationen in Produkt und Gebäude.

BAU Frühstückstalk

Die zuhörenden Planer erhielten hier keine einfache Antwort auf die Materialfrage. Denn die gibt es nicht. Vielmehr konnten sie einen Eindruck bekommen, was bei der Materialwahl neben der Orientierung an Produktlabels und Umweltproduktdeklarationen noch gefragt ist: der offene Umgang mit Zielkonflikten und die Suche nach der besten Lösung. Vier zentrale Botschaften des Gesprächs haben wir rausgepickt. Den ganzen Talk finden Sie auf unserem DGNB Youtube Kanal.

  • „Keiner muss sich komisch fühlen, wenn er das Thema noch nicht komplett durchdrungen hat.“ │ Mara Linn Becher, Regional Sustainability Manager D/A/CH bei Interface
  • „Wir müssen deklarieren, was im Gebäude drin ist. Wenn wir nur deklarieren, welche Schadstoffe nicht drin sind, fangen wir in ein paar Jahren wieder vorn vorne an.“ │Tina Snedker Kristensen, Leiterin Marketing und Kommunikation bei Troldtekt
  • „Wir brauchen die gesamte Branche, um einheitliche Messungen und Datenbanken zu schaffen. Mein Wunsch: die Kopplung mit BIM.“ │Eike Mesow, Leiter Nachhaltigkeit bei Sto und Vorsitzender des DGNB Bauproduktebeirats
  • „Die CO2-Diskussion wird drängender. Jeder, der heute handelt, wird schon bald einen Vorteil haben.“│ Johannes Kreißig, DGNB Vorstand

Talk 3: Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit für Architekten?

Die Antwort in diesem dritten Gespräch lautet: ganz klar, eine große! Voller Elan plädierten alle Diskussionsteilnehmer für gute Architektur, betonten ihren sozialen Aspekt und ermutigten dazu, auch Teilerfolge wertzuschätzen. Wer sich als Architekt ob einer vermeintlichen Komplexität gehemmt fühlt, dem sei diese einstündige Runde wärmstens empfohlen. Hier gibt es sie in voller Länge.

BAU Frühstückstalk

„Was muss denn passieren, damit mehr gute Gebäude entstehen?“ lautet eine Schlüsselfrage der Moderatorin, DGNB Vorstand Dr. Christine Lemaitre. Es sei noch zu einfach, auf konventionelle Art schlecht zu bauen, meint Martin Haas, Geschäftsführer des Architekturbüros haascookzemmrich – STUDIO 2050. Und es wirke für viele zu schwer, nachhaltig gut zu bauen. Die DGNB leiste hier Aufklärungsarbeit, um das Missverständnis der Komplexität aus dem Weg zu räumen. Dass bereits in den Hochschulen der Grundstein für die gefragten Skills der Zukunft gelegt werden müssen, betont Prof. Anett-Maud Joppien, die an der TU Darmstadt lehrt. Dafür setzt sie sich mit aller Kraft ein. DGNB Präsident Amandus Samøse Sattler hält ein Plädoyer auf die verkannte Attraktivität des Bestands: Heute seien die Altbauten doch die individuellsten Gebäude. Ihre Substanz erzähle eine Geschichte, die zu entdecken großen Spaß mache. Und die Präsidentin der Bundesarchitektenkammer, Barbara Ettinger-Brinckmann, appelliert an den Mut zum Experiment und wünscht sich mehr Raum für Innovationen.

Am Ende sind sich alle einig, dass es beim nachhaltigen Bauen nicht nur um Leuchtturmprojekte und Perfektion gehen darf. Jahrzehntelang wurde nichts hinterfragt, sagt Lemaitre. Jetzt sollten wir uns nicht ständig rechtfertigen, warum es richtig ist, das Richtige zu tun. Vielmehr müsse man sich motivieren, dass jeder Schritt in jedem Projekt mit jedem Bauherren wichtig sei. Bei alledem helfe die Initiative Phase Nachhaltigkeit.

  • „Nachhaltigkeit bedeutet unterm Strich die Erhöhung der Lebensqualität.“ │ Martin Haas
  • „Ich verstehe Nachhaltigkeit nicht als Thema von Gebäuden, sondern auch von Stadtplanern und Landschaftsarchitekten, es ist ein regionalplanerisches Thema.“ │Barbara Ettinger-Brinckmann
  • „Der Samen für den Umbruch wird in der Hochschule gelegt.“│Prof. Anett-Maud Joppien
  • „Es lohnt sich für das Büro, wenn man sich bei der DGNB ausbildet. Unsere zwei Consultants haben mit ihrem Wissen einen riesigen Schwung ins Büro gebracht.“ │Amandus Samsøe Sattler

Fazit

Gerade jetzt, wenn die Nachhaltigkeitsdebatte immer mehr gesellschaftliche Akzeptanz findet, geht es für Planer, Bauherren und Hersteller darum, eine klare Haltung zu entwickeln und Ehrlichkeit sowie Selbstkritik als Stärke zu verstehen. Aber auch die Bereitschaft zur Zusammenarbeit und vor allem die Überführung ins tatsächliche Handeln sind gefragt. Drei Tage BAU machen Mut. Denn von alledem war vieles dabei. Und jetzt lasst uns anfangen.

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Pia Hettinger arbeitet bei der DGNB als Projektleiterin PR und Medien in der Abteilung PR, Kommunikation und Marketing. Relevante Themen und Perspektiven aufspüren und die Quintessenz leserfreundlich in Form bringen, steht im Fokus ihrer Tätigkeit. Nach Stationen in Agenturen und Konzernen fand die studierte Medienwissenschaftlerin den Zugang zur Bauwelt in einem Architekturbüro, wo sie die Unternehmenskommunikation betreute. Ihr zunehmendes Interesse für die Prinzipien der Nachhaltigkeit führte sie zur DGNB.

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