Diskurs, Impuls, Weltweit
Schreibe einen Kommentar

COP25: Ernüchterung und Stillstand statt Aufbruchstimmung und Aktion

COP25: Ernüchterung und Stillstand statt Aufbruchstimmung und Aktion und Aktion

Was machen wir denn eigentlich? Diese Frage habe ich mir nach meiner Teilnahme an der diesjährigen Weltklimakonferenz in Madrid immer wieder gestellt. Am vergangenen Wochenende ging die COP25 zu Ende – mal wieder ohne wirkliche Ergebnisse und Ambitionen. Nach drei Tagen selbst vor Ort war dies keine Überraschung mehr. Zeit, die Dinge klar anzusprechen und Finger in die Wunden zu legen – möglichst tief.

Die Stimmung in Madrid in der sogenannten Blue Zone, in der die Verhandlungen stattfanden, war zunächst noch eine wilde Mischung. Auf der einen Seite „Action Now“-Durchhalteparolen und Selbstdarstellungen der teilnehmenden Länder und Umweltverbände. Dagegen die immer schärfer werdenden Forderungen der Entwicklungsländer und die weichgespülten, politisch korrekten Aussagen der sogenannten Industrienationen.

Vielleicht war die Erwartungshaltung auch zu hoch. Schließlich ist das Thema kein triviales. Dabei sollten wir doch endlich gelernt haben, dass das Problem so groß und fundamental ist, dass es mehr als angemessen wäre, wenn die Weltgemeinschaft gemeinsam an einer Lösung arbeiten würde. Aber vielleicht liegt genau hier das zentrale Problem. Konsens im Kontext der Klimakonferenz funktioniert nur, wenn wirklich alle an Bord sind. Die Idee einer Mehrheit im Sinne von Demokratie ist nicht gefragt.

Vor diesem Hintergrund ist es umso schlimmer, dass die angeblich so ambitionierten Länder sich in Madrid nicht aus der Menge absetzen. Indem sie vorangehen. Indem sie einen positiven Druck erzeugen. Und noch viel wichtiger: Indem sie einfach anfangen. Die globalen Emissionen sind nicht auf Knopfdruck reduzierbar. Umso fataler ist es, wieder ein Jahr weiter zu verschieben und mit dem Prinzip Hoffnung das Problem immer unlösbarer zu machen. Die Handlungsoptionen werden so nur immer noch radikaler, die Auswirkungen schmerzhafter.

Die kritische Rolle von Deutschland

So kann ich auch mit ein paar Tagen Abstand nach der COP25 weiterhin nur den Kopf schütteln. Man muss sich dringend fragen, was „wir“ eigentlich so machen bzw. was „wir“ alles nicht machen. Und sich selbstkritisch der Frage stellen, warum machen wir nicht endlich das Notwendige und Richtige tun?

Dass die deutsche Politik in Sachen Klimaschutz auch nicht wirklich Vorreiter ist, haben wir in den letzten Monaten leider ebenfalls feststellen müssen. Was das für ein fatales Signal an die Weltgemeinschaft ist, kam in Madrid auch klar zur Sprache. Wenn eines der reichsten Länder der Welt es nicht umsetzt, wie sollen die anderen das denn machen? Es geht hier nicht um das „warum“, was immer wieder gerne populistisch aufgegriffen wird, da Deutschland im Vergleich zu den größten CO2-Emittenten wie Indien und China ja nicht unbedingt maßgeblich sei. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass Deutschland auch für Innovation und Technologien steht. Und genau hier liegt das fatale Signal an die Welt. Denn dort kommt an: Wenn Deutschland nicht weiß, wie es gehen kann – weil nur daran kann es doch eigentlich liegen –, wie sollen wir das denn dann wissen?

Sanierung ist kein Selbstzweck und bedeutet nicht zwingend Klimaschutz

Und damit kommen wir zurück zu meiner Eingangsfrage: Was machen wir denn eigentlich? Warum stellen wir uns denn so an? Gerade wenn man den Gebäudebereich anschaut, dann hat Klima- und Umweltschutz sehr viel mit einem steigenden Qualitätsverständnis für unsere gebaute Umwelt zu tun. Und eine bessere Qualität unserer Gebäude ist doch am Ende gut für uns Menschen, wenn wir gesünder und glücklicher werden und in einer positiv gestalteten Umwelt leben können. Aber leider scheinen alle entscheidenden Akteure in Politik und Gesellschaft bei dem Thema immer wieder komplett auszublenden, dass sie sich auch die meiste Zeit ihres Lebens in Gebäuden aufhalten.

Dazu kommt, dass wir uns im Grunde nur in der Welt der statistischen Zahlen und Potenziale bewegen. So wird am Ende viel Verhinderungspolitik betrieben, indem immer der Worst Case als Referenz herangezogen wird. Hier darf man sich fragen, seit wann Regeln denn immer auf die Ausnahme ausgelegt werden?

Was am Ende bleibt, ist der dauernde Ruf nach höheren Sanierungsquoten. Dabei ist Sanierung kein Selbstzweck und bedeutet nicht automatisch Klimaschutz. Wenn wir es endlich ernst meinen, dann gehört dazu vor allem ein großes Maß an Unaufgeregtheit und damit eine systematische Herangehensweise, die sich aus den unterschiedlichen Zielgruppen und Nutzungstypen ableitet.

Wege nach vorne: Vorbilder im Neubau, konsequentes Monitoring im Bestand

Nehmen wir den Neubau: Mit Gebäuden erreichen wir Menschen. Positives Erleben ist ein Grundelement des Lernens und hier spielen öffentliche Gebäude wie Kongresszentren, Verwaltungsgebäude, Schulen, Universitäten etc. eine Schlüsselrolle. Der Bund und die Länder müssen hier endlich radikales Vorbild sein und an diese Gebäude die höchsten Anforderungen wie beispielsweise Klimaneutralität, Kreislauffähigkeit und wirklichen Komfort stellen.

Oder den Bestand: Endlich zu wissen, wo wir mit den Gebäuden stehen, um diese damit überhaupt optimierungsfähig zu machen, dafür brauchen wir ein verpflichtendes Monitoring der Energieverbräuche aller Gebäude! Nur so werden wir auch die wirtschaftlichsten Lösungen identifizieren und echten Fortschritt ablesen können.

Wenn wir diese beiden Dinge umsetzen würden, dann würde sich endlich etwas bewegen. Hierzu gehört aber auch, dass die Politik ihre durch Lobbying gestreuten Bedenken endlich über Bord wirft und sich vielleicht doch besser einmal von den Personengruppen beraten lässt, die sich inhaltlich und fachlich damit auskennen und dies sogar studiert haben: Planer und Architekten!

Ein Weihnachtswunsch an Politik und Entscheider

Zum Abschluss, da ja bald Weihnachten ist, ein persönlicher Wunsch:

Liebe Politik, liebe Entscheider, macht doch einfach mal die Augen auf, wenn ihr durch unsere Städte lauft oder fahrt. Und dann überlegt euch, ob man hier nicht Vieles besser machen kann. Fragt euch, ob ihr euch persönlich, so wie es ist, wohlfühlt und euch gerne dort aufhaltet. Oftmals reicht da vielleicht eine Fahrt mit einer S-Bahn in die Stadtrandgebiete und der Gang von der S-Bahn zum Fahrradständer oder zur Bushaltestelle. Und wenn man dann ehrlich ist, dann stellt sich doch nicht mehr die Frage nach irgendwelchen statistischen Hochrechnungen, sondern die Frage, wann wir endlich anfangen. Denn wir müssen ja die Welt retten und da wäre es doch gut, wir fangen mal an, unsere gebaute Umwelt so zu gestalten, dass wir uns gerne und lange in ihr aufhalten!

Kategorie: Diskurs, Impuls, Weltweit

von

Seit Anfang 2009 ist Dr. Christine Lemaitre im Team der DGNB – zunächst als Leiterin der Abteilung System. Ein Jahr später übernahm sie die Rolle als Geschäftsführender Vorstand. Seither leitet die promovierte Bauingenieurin die Geschicke der DGNB. Die dreifache Mutter setzt sich gerade auch international für Nachhaltiges Bauen ein – etwa als Präsidiumsmitglied der Sustainable Building Alliance. Von 2015 bis Juni 2019 war sie zudem Vorsitzende des European Regional Network im World Green Building Council.

Diesen Artikel drucken

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert