Eines der in letzter Zeit am häufigsten verwendeten Schlagworte in Sachen nachhaltiges Bauen und Immobilien scheint die Abkürzung ESG zu sein. ESG umfasst drei Nachhaltigkeitsbereiche: Umwelt, Soziales und Governance. Ein neuer Report der Climate Positive Europe Alliance (CPEA), der auch die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) angehört, zeigt jedoch, dass sich der Großteil des Engagements der Branche für ESG auf das E in ESG konzentriert, während S und G zu kurz kommen.
Der Report „ESG adoption and implementation in EU construction and real estate“ des Climate Positive Europe Alliance (CPEA) gibt einen Einblick, wie ESG-bezogene Themen in der Branche umgesetzt werden. Er kommt zu dem Schluss, dass es ein starkes Engagement für Energie- und Klimafragen gibt, das vor allem das E in ESG aufgreift. Andere Umweltthemen wie die Förderung der biologischen Vielfalt, die Verringerung von Umweltverschmutzung oder ein verantwortungsvolles Wassermanagement stehen jedoch weniger im Mittelpunkt.
Ursula Hartenberger, CPEA-Generalsekretärin und Hauptautorin des Berichts, warnt davor, dass dieser eindimensionale Ansatz dazu führen könnte, dass das Engagemant der Branche in der Öffentlichkeit als ESG-Washing wahrgenommen wird. Ihrer Meinung nach birgt die Nichtbeachtung von sozialen und Governance-Themen viele Risiken, die sich oft aus einem engen und eindimensionalen ESG-Ansatz ergeben. „So gibt es beispielsweise direkte Verbindungen zwischen Dekarbonisierungszielen und sozialen Ergebnissen, die sich wiederum auch auf die Governance-Leistung einer Organisation auswirken“. Um dies besser zu veranschaulichen, enthält der Bericht Beispiele dafür, wie E-, S- und G-Aspekte miteinander verknüpft werden können:

Mögliche Wechselwirkung zwischen energieeffizienter Renovierung und bezahlbarem Wohnraum. Grafik liegt im Original auf Englisch vor; übersetzt durch DGNB. ©CPEA
Die Bedeutung eines zuverlässigen und transparenten ESG-Reportings
Als einer der größten Verursacher von Treibhausgasemissionen und verantwortlich für rund ein Drittel des weltweiten Abfallaufkommens besteht für den Bau- und Immobiliensektor ein enormer Handlungsbedarf in Richtung Nachhaltigkeit. Doch was Nachhaltigkeit für die verschiedenen Interessengruppen bedeutet, ist sehr unterschiedlich. ESG-Kriterien bilden die Grundlage für ein einheitlicheres Verständnis von Nachhaltigkeit. Für die Bewertung und Berichterstattung gibt es jedoch verschiedene Standards – wie die Global Reporting Initiative (GRI), die von fast 80 Prozent der 250 größten Unternehmen der Welt genutzt wird, oder das Climate Disclosure Standards Board (CDSB).
ESG-Ratings spielen auf dem EU-Markt für nachhaltige Finanzen eine wichtige Rolle, da sie Investoren und Finanzinstitute über Investitionsstrategien, Risikomanagement und interne Analysen informieren. Darüber hinaus gibt es EU-Richtlinien und -Verordnungen, die ein ESG-Reporting vorschreiben, z. B. die EU-Taxonomie.
Der CPEA-Bericht weist daher nicht nur auf Qualifikations- und Wissenslücken hin, sondern betont auch das Fehlen einer harmonisierten und vereinbarten sektoralen Definition und damit verbundener Standards und schlägt eine mögliche ESG-Definition vor, die als Übersetzung für die Akteure des Bau- und Immobiliensektors dienen könnte.
Empfehlungen des Reports
Basierend auf dem Fachwissen der CPEA ESG-Arbeitsgruppe und praktischen Beispielen enthält der Bericht auch Empfehlungen für politische Entscheidungsträger und Marktteilnehmer. Unter anderem fordert der Bericht eine „All-in-One“-Richtlinie für nachhaltige Gebäude, die auf dem EU-Berichtsrahmen Level(s) basiert, sowie die Einführung digitaler Gebäudelogbücher, um alle gebäudebezogenen Daten über den gesamten Lebenszyklus hinweg zu erfassen und zu verwalten und so bestehende ESG-Datenbarrieren zu überwinden. Was die Marktpraxis betrifft, so wird u. a. empfohlen, neue Marktregeln zu schaffen, die den Nachweis der „ESG-Konformität“ zwingend vorschreiben, und die Einführung von Strafen für Greenwashing zu fordern.
Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung besteht die CPEA ESG-Arbeitsgruppe aus 40 teilnehmenden Organisationen aus 10 europäischen Ländern, deren Mitglieder aus den Bereichen Finanzen und Investitionen, Immobilienentwicklung und -beratung, Vermögensverwaltung und Nachhaltigkeitszertifizierung stammen, sowie aus Organisationen der Zivilgesellschaft, Berufsverbänden und Industrieverbänden.
Über das Engagement der DGNB bei CPEA
CPEA ist ein Think Tank mit Sitz in Brüssel, der sich für die gemeinsame Förderung von Nachhaltigkeitsprinzipien und -praktiken einsetzt und die Markttransformation hin zu einer nachhaltigen, kohlenstofffreien gebauten Umwelt beschleunigt, die vollständig mit dem Pariser Abkommen und den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung übereinstimmt. Die Organisation wurde 2021 von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB), dem Green Building Council España (GBCe), der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI), dem Green Building Council Denmark (DK-GBC) und der Federation of European Heating, Ventilation and Air Conditioning Associations gegründet. Derzeit ist die DGNB-Geschäftsführerin Dr. Christine Lemaitre Vorsitzende der CPEA.