Circular Economy, DGNB Jahreskongress 2023, Diskurs
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Der DGNB Gebäuderessourcenpass: Dokumentation für mehr geschlossene Kreisläufe

Foto des DGNB Gebäuderessourcenpass auf einem Laptop. Person im Vordergrund bedient das Touchpad.

Die Baubranche befindet sich im Wandel: weg vom linearen System hin zur konsequenten Kreislaufwirtschaft. Was in der Theorie logisch und wünschenswert klingt, ist in der Praxis aber bisher eine große Herausforderung. Mit dem Gebäuderessourcenpass hat die DGNB pünktlich zu ihrem digitalen Jahreskongress ein Instrument zur Dokumentation vorgestellt, dass eben hier unterstützen soll. Er soll eine gemeinsame Basis und Transparenz schaffen. Im Rahmen des Events diskutierten Expertinnen und Experten über die Inhalte, Nutzbarkeit und die Frage, wie es nun weiter geht. Ein Rückblick.

BLOGSERIE ZUM DGNB JAHRESKONGRESS 2023 (TEIL 1)
Am 14. und 15. Februar fand der zweite digitale Jahreskongress der DGNB statt. In Impulsen und Gesprächsrunden wurden hier Entwicklungen zu vielfältigen Aspekten des nachhaltigen Bauens besprochen. Die Blogserie gibt einen Rückblick und fasst zentrale Botschaften zusammen. Im nächsten Beitrag steht das Thema Biodiversität im Fokus.

 

Die Grundidee des Gebäuderessourcenpasses ist schnell erklärt: Sein Zweck ist es, Transparenz zu schaffen über die wichtigsten materialstofflichen Eigenschaften einer Immobilie. Er soll Auskunft darüber geben, ob Gebäude bereits heute einen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft leisten, wie lange sie genutzt und angepasst werden können und ob sie auch zukünftig demontierbar, trennbar und verwertbar, also kreislauffähig sind.

Zirkuläres Bauen: als relevant anerkannt, aber in der Praxis noch nicht realisiert

Warum ein solches Instrument zur Dokumentation wichtig ist, da ist sich die Runde aus Dominik Campanella (Concular GmbH), Claudius Frank (Madaster Germany GmbH), Pascal Keppler (EPEA GmbH – Part of Drees & Sommer), Thomas Kraubitz (Buro Happold) und Prof. Dr. Anja Rosen (Bergische Universität Wuppertal, C5 GmbH) einig: Das Bewusstsein für die Relevanz des zirkulären Bauens scheint in der Branche angekommen. Insbesondere seit 2021 sei das Interesse immens gestiegen. Kein Projekt komme ohne den Aspekt der Zirkularität aus, so Campanella. Doch es hapere bisher an der tatsächlichen, konsequenten Implementierung in der Praxis, stellt die Runde fest.

Den Wert von Materialien (wieder-)erkennen

Der Gebäuderessourcenpass leiste hier einen relevanten Beitrag, indem er einen einheitlichen Standard bietet, um Fakten rund um die verbauten Materialien vergleichbar und sachlich zu dokumentieren.

Anja Rosen betont die Relevanz einer solchen Dokumentation zur Optimierung. Letztere werde schließlich nicht um ihrer selbst willen durchgeführt. Sie bilde die Basis, um sich der relevanten Aspekte bewusst zu werden, um so auf dieser Grundlage optimieren zu können. Wichtig sei bei alledem, sich Klarheit über die Begrifflichkeiten wie Recycling, Upcycling, Wiederverwendung etc. zu verschaffen. Im besten Fall würden Bauteile eins zu eins aus einem Gebäude entnommen und, ohne sie zu zerstören, wieder eingebaut. Hier liege das größte Potential für Klima- und Ressourcenschutz. Wenn das nicht geht, wäre „echtes“ Recycling wünschenswert, so Rosen.

Zum anderen führe das konsequente, transparente Dokumentieren dazu, dass Verantwortliche sich dem Wert der Materialien wieder bewusstwerden. Wenn heute Gebäude abgerissen werden, sei das Material durch die Entsorgung mit einem Kostenfaktor belegt. Man bezahle für die Entsorgung, führt Campanella an. Durch die Digitalisierung und den Gebäuderessourcenpass erhielten die Materialien eine Identität und entsprechend einen Wert. Sie können wiederverkauft werden. Der Materialrestwert sei ein wichtiger Indikator, um das Thema in die Breite zu bringen, bestätigt Keppler. Thomas Kraubitz führt ergänzend an, wie wichtig es ist, die Zeit zwischen zwei Nutzungen zu minimieren. Denn auch zwischengelagertes Material sei totes Material.

Ein Pass für den gesamten Lebenszyklus

Zum Einsatz kann der Pass der DGNB sowohl bei Neubauten als auch bei Bestandsgebäuden kommen, wobei verschiedene Akteursgruppen von seiner Nutzung profitieren.

Eigentümerinnen und Eigentümer bekommen u.a. Aufschluss über die tatsächlich verbaute Materialität sowie mögliche gesundheitsgefährdende Schadstoffe. Darüber hinaus profitieren sie mit Blick auf das Optimierungspotential des Gebäudes von der fortlaufenden Dokumentation über den Lebenszyklus. Für Planende bietet der Pass Mehrwerte mit Blick auf mögliche vertiefende Analysen für eine qualifizierte Beratung von Bauherren sowie die Ausarbeitung von kreislaufgerechten, ressourcenschonenden Varianten. Bauausführende können das Instrument nutzen, um die von ihnen umgesetzten Maßnahmen systematisch zu dokumentieren und ihre erbrachten Leistungen übersichtlich darzustellen. Und auch Kommunen können von der Erstellung profitieren. Beispielsweise können sie entsprechende Pässe als Basis zum Aufbau und Management von urbanen Minen nutzen. Dominik Campanellas Bezeichnung „Lifecycle Passport“ bringt zudem zum Ausdruck, dass der Einsatz in jeder Lebenszyklusphase nützlich ist.

Ausblick: Punkte im Rahmen der DGNB Zertifizierung

Verpflichtend ist der Einsatz dieses neuen Instruments bisher noch nicht. Hierzu lägen aktuell auch keine Informationen vor, so Moderatorin Dr. Anna Braune (DGNB). Eine Förderung hält sie perspektivisch für möglich. In dem von der DGNB angekündigten Zertifizierungssystem Gebäude Neubau in der Version 2023 werde der Einsatz bereits ab der Veröffentlichung mit Punkten honoriert.

Zudem hat die Bundesregierung die Entwicklung eines Gebäuderessourcenpasses in ihrem Koalitionsvertrag verankert. Eine Anschlussfähigkeit des DGNB Passes an entsprechende Maßnahmen des Bundes soll sichergestellt werden. Einige Anbieter von digitalen Tools zur Gebäudedokumentation oder -optimierung wie Concular, Madaster, das Circularity Design Toolkit von EPEA oder der Urban Mining Index haben die inhaltlichen Anforderungen des Gebäuderessourcenpasses der DGNB bereits integriert. Weitere Praxis-Lösungen sind bereits im Gespräch.

Weitere Informationen zum Gebäuderessourcenpass der DGNB finden Sie hier. Die Diskussion im Rahmen des DGNB Jahreskongresses finden Sie zudem auf dem YouTube-Kanal der DGNB zum Nachschauen:

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