Mit einem Marktanteil von über 80 Prozent im Neubau und mit über 60 Prozent auf den Gesamtmarkt gerechnet, ist die DGNB, verglichen mit anderen Zertifizierungssystemen, unangefochtener Marktführer bei Gewerbeimmobilien in Deutschland. Das geht aus dem aktuellen Marktbericht „Market Focus: Green Buildings 2017“ von BNP Paribas Real Estate hervor. Welche Rolle zertifizierte Gebäude auf dem Investmentmarkt spielen und weitere Fragen hat uns Hermann Horster, Head of Sustainability der BNP Paribas Real Estate, beantwortet.
Henny Radicke: Herr Horster, wie entwickelt sich denn der Markt nachhaltiger Gebäude im Vergleich zum restlichen Investmentmarkt? Gibt es hier signifikante Veränderungen?

Als Head of Sustainability kümmert sich Hermann Horster um die Nachhaltigkeitsthemen bei BNP Paribas Real Estate Deutschland.
Hermann Horster: Der Investmentmarkt der gewerblichen Gebäude in Deutschland hat sich im vergangenen Jahr rückläufig entwickelt, im Wesentlichen aufgrund einer
Angebotsknappheit bei einem Nachfrageüberhang. Zu erwarten war, dass sich auch das Investment in nachhaltige Gebäude gleichermaßen rückläufig entwickelt. Zu unserer Überraschung war jedoch das Gegenteil der Fall: Das Investmentvolumen der nachhaltigen Gebäude hat absolut zugelegt und damit natürlich auch prozentual im Verhältnis zum gesamten Investitionsvolumen. Ein wesentlicher Grund sind die Forward-Deals großer Projekte in den Big-6-Standorten, bei denen die Projekte fast alle zur Zertifizierung angemeldet worden sind.
HR: Wie schneidet die DGNB im Vergleich zu anderen Zertifizierungssystemen ab?
HH: Bei den Zertifikaten für Neubauten ist die DGNB weiterhin mit über 80 Prozent Marktanteil mit sehr großem Abstand in Deutschland führend. Addiert man den Neubau und Bestand zusammen ist die DGNB Marktführer in Deutschland.
HR: Wo und von wem wird überhaupt zertifiziert? In Metropolen oder in kleinen Städten? Von Investoren oder Eigentümern?
HH: Die meisten Zertifikate finden sich in den Metropolen, den großen deutschen Städten wie Berlin, Frankfurt, Düsseldorf, Hamburg usw. Die Anzahl der Zertifikate nimmt prozentual mit abnehmender Größe der Städte ab. Allerdings findet sich dann eine hohe Anzahl an Zertifikaten in der kleinsten Stadtkategorie, den Städten unter 100.000 Einwohnern, wieder. Im Abgleich mit der Frage, ob der Bauherr ein Eigennutzer oder ein Investor für die Vermietung an Dritte ist, zeigt sich ein interessantes Bild. In den Metropolen sind es fast ausschließlich die Projektentwickler und Investoren, die Gebäude zertifizieren. Während in den Städten unter 100.000 Einwohnern die Eigennutzer einen erheblichen Anteil stellen.
HR: Was glauben Sie, in welche Richtung wird sich der Markt entwickeln und welche Rolle wird die DGNB spielen? National, aber auch international.
HH: Sehr lange hatte die DGNB das Image, ein typisch deutsches Produkt zu sein: Dem internationalen Wettbewerb in der Qualität deutlich überlegen, aber im Marketing schwach. Deswegen wurde die hohe Qualität auch nur in Deutschland honoriert, während man international kaum vertreten war. Inzwischen wurden allerdings Gebäude in über 20 Ländern weltweit nach DGNB zertifiziert. Aus dem ehemals eher nationalen Produkt ist zwar langsam, aber inzwischen unübersehbar, ein internationales Label geworden. Mit DGNB zertifizierten Immobilien von China über Süd-Ost-Europa und Skandinavien bis Amerika.
Die Perspektive für die DGNB ist wohl sehr gut: Der Wettbewerb hat soeben das Thema Wellbeing, also die Aufenthaltsqualität für die Mitarbeiter im Gebäude, entdeckt und dafür ein vom Gebäude getrenntes Zertifikat entwickelt. Nun hat die DGNB die Aufenthaltsqualität der Menschen im Gebäude aber seit zehn Jahren sehr umfassend im Zertifikat integriert – bei schlechter Raumluft für die Mitarbeiter gibt es kein DGNB Zertifikat für das Gebäude. Das halte ich für eine gute Lösung und finde es hingegen schwierig, wenn man das Zertifikat der Gebäudehülle und -technik von der Qualität der Innenräume, in der Menschen leben und arbeiten, trennen will. Ist ein Gebäude wirklich nachhaltig, das keine gesunden Arbeitsplätze zur Verfügung stellt? Der Ansatz der DGNB, beides in einem Zertifikat zu integrieren, ist in diesem Sinne aus meiner Sicht tatsächlich der zukunftsfähigere.
Gleiches gilt für die „DNA“ des DGNB Zertifikats, dies ist der Lebenszyklus, der Lifecycle. Die Wettbewerber haben nach dem Markteintritt der DGNB begonnen diesen Ansatz ansatzweise aufzugreifen. Den Grundgedanken des Lifecycle eines Produktes (was nutzt es, wenn ich einen Baustoff im Gebäude verwende, der in der Produktion bereits mehr CO2 verbraucht hat, als er jemals im Gebäudebetrieb einsparen kann) hat bislang allerdings nur die DGNB vollständig zur Grundlage des gesamten Zertifikates gemacht. Da nun sogar die EU anfängt europäische Normen auf diesen schlichten und überzeugenden Gedanken auszurichten, vermute ich, dass das DGNB Zertifikat in Zukunft gerade international hervorragende Chancen hat.
Falls sich der erkennbare Trend, dass das DGNB Label in Deutschland mit Abstand Marktführer bleibt und sich zugleich langsam aber stetig international immer mehr ausbreitet, so fortsetzt, nehme ich an, dass das DGNB Zertifikat eine zunehmend stärkere Rolle spielen wird.