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Die DGNB in China: Qualität als Differenzierungsmerkmal der Zukunft

In den letzten 15 Jahren wurden in China genauso viele Gebäude errichtet, wie es in ganz Europa gibt. Das Bauvolumen ist nach wie vor hoch und der Wunsch nach nachweislich besseren Gebäuden wächst. Hier kommt das DGNB Zertifizierungssystem ins Spiel, das als Qualitätssiegel den Projekten ein hohes Maß an Nachhaltigkeit „made in Germany“ bestätigt.

Bis 2020 soll der Markt an nachhaltigen Gebäuden in China rund 25 Prozent des Gesamtbauvolumens betragen (EU: 9). Ein verlässlicher Partner für China sind hier die DGNB sowie das gleichnamige Zertifizierungssystem. Um den Austausch zwischen China und Deutschland zu fördern und das Verständnis einer nachhaltigen Bauweise auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, hat Ende Juli erstmals das Deutsch-Chinesische Forum für Nachhaltiges Bauen in Peking stattgefunden. Die Veranstaltung stand unter der Schirmherrschaft der Deutsch-Chinesischen Urbanisierungspartnerschaft. Für die DGNB vor Ort waren unter anderem Johannes Kreißig, Geschäftsführer der DGNB GmbH, und Dr. Stephan Anders, Leiter des DGNB Systems.

Henny Radicke: Das Deutsch-Chinesische Forum für Nachhaltiges Bauen ist eine gemeinsame Initiative der CCTC – China Construction Technology Consulting, eine der größten Planungsgruppen weltweit, und der DGNB. Was war der Anlass des Forums?

Dr. Stephan Anders, Leiter des DGNB Systems

Stephan Anders: Die DGNB ist seit mehreren Jahren in China aktiv. Ging es in den vergangenen Jahrzehnten vor allem darum schnell zu bauen, rücken heute mehr und mehr die Themen Qualität und Nachhaltigkeit in den Fokus. Ein Grund hierfür ist sicherlich auch die zunehmende Belastung der Menschen durch Smog und Lärm im Zuge steigender Bewohnerzahlen. Das Forum diente vor allem dazu, sich über die Themen auszutauschen, die uns als DGNB, aber auch dem chinesischen Markt wichtig sind, um gemeinsam künftige Herausforderungen zu meistern.

Johannes Kreißig, Geschäftsführer DGNB GmbH

Johannes Kreißig: Wir bemerken in China ein Umdenken in Bezug auf die Qualität der gebauten Umwelt. So hat das chinesische Bauministerium analysiert wie die als „Green“ geltenden Gebäude in puncto Performance abschneiden. Das Ergebnis war ernüchternd – die Probleme, die schon vor 15 Jahren gesehen wurden, wie Energie- oder Ressourcenverbrauch oder Bauqualität, haben sie immer noch, die Gebäude verbrauchen eher mehr Energie, das Ressourcenthema ist nicht gelöst und das Thema Qualität wurde gar nicht adressiert. Es wurde deutlich, dass die seitherigen Instrumente, nachhaltig zu bauen unzureichend sind. Auf der Suche nach einer besseren Methode ging der Blick auch nach Deutschland. So wurden erste Gespräche aufgenommen. Denn wir verstehen nachhaltiges Bauen nicht als Zustand, sondern als Prozess, ein Ansatz, der in China überzeugt, ebenso wie die Planungsphilosophie, die hinter unserem Zertifizierungssystem steht. Das erste Deutsch-Chinesische Forum für Nachhaltiges Bauen markiert den Auftakt weiterer gemeinsamer Aktivitäten und einer intensiven Zusammenarbeit.

HR: China gilt mit Abstand als der weltgrößte Emittent von Treibhausgasen, die Smogkugeln über den Metropolen gehen weltweit durch die Medien. Welche Rolle spielt nachhaltiges Bauen tatsächlich in China?

JK: Eine große! Es setzt sich die Erkenntnis durch, dass der Fokus in den letzten Jahren auf dem Volumen stand und nicht auf der Qualität. So müssen Gebäude die erst 25 Jahre alt sind, schon wieder kernsaniert werden. Das Bewusstsein ändert sich jedoch immer mehr. Heute geht es um mehr Komfort für den Nutzer. Der chinesische Markt wird so nicht weiterwachsen, wie in den letzten Jahren und es wird zu einem klassischen Verdrängungswettbewerb kommen, der automatisch die Qualität der Gebäude nach vorne schieben wird. Zukunftsorientierte Projektentwickler sehen heute schon, dass Qualität das Differenzierungsmerkmal der Zukunft sein wird.

SA: Wichtig in China sind auch die sogenannten Fünfjahrespläne, die durch die chinesische Regierung aufgestellt werden. Die formulierten Ziele sind bindend und werden in einem „Top-Down“-Ansatz umgesetzt. Dadurch entsteht ein extremer Hebel für gesellschaftlich relevante Themen. Das nachhaltige Bauen ist ein Thema das in dem aktuell gültigen Plan explizit genannt wird. Um diese jedoch auch umsetzen zu können, braucht es das Wissen darüber, wie nachhaltiges Bauen funktioniert. Mit der DGNB Akademie gelingt uns seit 2012 dieser Wissenstransfer. Seitdem haben sich bereits 300 chinesische Fachkräfte von der DGNB zu Nachhaltigkeitsexperten weiterbilden lassen. Besonders das Thema nachhaltige Quartiere ist gefragt.

v.l.n.r. Kai Zhang, DGNB, Johannes Kreißig, Geschäftsführer DGNB GmbH, Dr. Stephan Anders, Leiter des DGNB Systems, Siyuan Si, DGNB.

HR: Es gibt in China den Think Tank „China Society for Urban Studies“, der jedes Jahr relevante Akteure der Baubranche vereint. Die Jahreskonferenz 2017 stand unter dem Motto „Urban Development and Planning“. Was für Erkenntnisse bringt ihr von dieser Konferenz mit?

SA: Wir waren zu der Konferenz eingeladen, um über unsere Erfahrungen bei der Planung nachhaltiger Städte und Quartiere zu berichten. In der Diskussion zeigte sich, dass vor allem Themen der sozialen Stadtentwicklung und Stadtsanierung Interesse fanden. Denn auch in China gibt es mittlerweile eine hohen Gebäudebestand der für die Zukunft ertüchtigt werden muss, also nachhaltig zu sanieren. Hier entsteht ein enormer Hebel, um nachhaltiges Bauen aktiv in die Breite zu bringen.

JK: Unser Ansatz einer nachhaltigen Bauweise und unsere Planungsphilosophie haben sich über die Jahre bewährt. Unser Qualitätsverständnis ist maßgebend für Länder wie China, die bessere Gebäude und Quartiere bauen wollen. Mit dem DGNB System, das wir im Rahmen solcher Konferenzen immer wieder vorstellen, setzen wir weltweit einen Benchmark für Nachhaltigkeit, der für Länder wie China erstrebenswert ist, zumal sich das DGNB System bei den bislang zertifizierten Projekte als praktikabel anwendbar und umsetzbar erwiesen hat.

Workshop zur nachhaltigen Stadtplanung

Konferenz in Haikou

HR: Wie geht es in der Zusammenarbeit zwischen China und der DGNB weiter?

JK: Die in den ersten Gesprächen angestoßenen Ideen gilt es jetzt umzusetzen. Hier haben wir auf der chinesischen Seite wichtige Partner finden können, die den Qualitätsanspruch und die Philosophie, die hinter dem DGNB System stehen, umsetzen wollen. Es gibt einige Vorreiter in China, wie beispielsweise die GeZhOuBa Group, die das Verständnis der DGNB in ihre Unternehmensstrategie implementiert und bereits erste Projekte zertifiziert haben. Darüber hinaus soll das Forum für nachhaltiges Bauen im kommenden Jahr in einem größeren Rahmen zum zweiten Mal stattfinden.

SA: Wir planen dieses Jahres noch weitere Schulungen zum DGNB Consultant, auch mit dem Fokus auf Quartiere. Außerdem versuchen wir unsere Hochschulkooperationen um die chinesischen Hochschulen zu erweitern, sodass auch dort nachhaltiges Bauen ein integraler Bestandteil der Hochschullehre wird. Darüber hinaus sind wir vom 7. bis zum 10. November auf der FENESTRATION BAU China vertreten. Bereits zum vierten Mal können wir uns dort als Partner thematisch einbringen.

Quellen:
EU (2013). The construction sector in China, EU SME Centre, Beijing, www.ccilc.pt/sites/default/files/report_the_construction_sector_in_china.pdf
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Henny Müller ist seit 2016 bei der DGNB. Aktuell ist sie dort als Senior Projektleiterin für die Wissensstiftung verantwortlich. Davor arbeitete sie als Leiterin Digitale Kommunikation bei der DGNB in der Abteilung PR und Kommunikation. Zielgruppenorientiertes Arbeiten, ein Gespür für Themen und Inhalte zu entwickeln und Kommunikation mit all ihren Facetten zu erleben, zu nutzen und zu bedienen sind Aufgaben, die sie seit ihrem Volontariat beim Regionalfernsehen in Stuttgart sowie als Referentin in der Stabsstelle Kommunikation der Baden-Württemberg Stiftung begleiten.

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