Architektur, Nachhaltiges Bauen, Projekt des Monats, Zertifizierung
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Das erste seiner Art: Feuerwehrhaus Caldern erreicht DGNB Gold

Feuerwehr Caldern

Die Freiwillige Feuerwehr übernimmt hierzulande eine tragende Rolle bei der Bekämpfung von Feuer, Hochwasser und sonstigen Katastrophen. Im hessischen Caldern wurde unlängst eine neue Wirkungsstätte für diese besondere Gemeinschaft errichtet. Bei eingehendem Notruf rücken die Feuerwehrfrauen und -männer nun aus einem nachhaltig errichteten Gebäude mit DGNB Zertifikat in Gold aus. Wohlgemerkt durchlief das Projekt als erste Feuerwehr in der Geschichte der DGNB den Zertifizierungsprozess.

Die Freiwillige Feuerwehr im Ortsteil Caldern der Gemeinde Lahntal hat Tradition. 1933 gegründet, residierte die Mannschaft über viele Jahrzehnte hinweg in einem eigens errichteten Gerätehaus. Als dieses endgültig nicht mehr den technischen und funktionalen Anforderungen an eine zeitgemäße Feuerwehr entsprach, wurde mit vereinten Kräften nach einem neuen Standort gesucht. Im August 2019 erfolgte der Spatenstich für den Neubau.

Kompakt und weitläufig zugleich

Das mit Entwurf und Ausführung beauftragte Architektur- und Ingenieurbüro apd aus Frankfurt entwickelte auf dem 5.000 Quadratmeter großen Hanggrundstück einen kompakten, weiß verputzten Baukörper mit dynamisch auskragendem Vordach. Kurze Wege bestimmen die interne Organisation unter dem langgezogenen Gründach. Ein schnelles Ausrücken der Feuerwehr ist im Ernstfall garantiert.

Feuerwehr Caldern

Klare Linien, reduzierte Materialien und eine zertifiziert nachhaltige Bauweise versprechen Langlebigkeit. © Andreas Ochs und Lars Sehrt

Den Anfang macht die zweigeschossige Halle, in der die Feuerwehrfahrzeuge und technische Nebenräume untergebracht sind. Von außen durch eine hinterlüftete Holzfassade ablesbar, schließen in Richtung Hang die Sozial- und Ausbildungsräume auf zwei Ebenen an. Hier trifft die Gruppe zusammen – gesellige Runden und das Beisammensein nach schwierigen Einsätzen finden hier gleichermaßen statt. Der Nachwuchs wird ausgebildet, Weiterbildungen und Trainings angeboten.

  • Grundriss Erdgeschoss

Das erste DGNB-zertifizierte Feuerwehrhaus

„Die Idee einer Zertifizierung entstand erst im laufenden Planungsprozess“, berichtet der verantwortliche Projektleiter Marcus Ochs von apd. „Bei den politischen Vertretern und der Bauverwaltung brauchte es nicht viel Überzeugungsarbeit. Sehr schnell erhielten wir eine positive Rückmeldung. Die übrigen Planungsbeteiligten sowie die ausführenden Handwerksbetriebe reagierten anfangs etwas zögerlicher. Hier musste zunächst sehr viel Aufklärungsarbeit über das DGNB Zertifizierungssystem geleistet werden. Rückblickend haben aber alle Beteiligten die Vorteile erkannt zumal sich der Mehraufwand in Grenzen hielt.“ Ochs, der zugleich Wehrführer bei der Freiwilligen Feuerwehr Caldern ist, konnte im Projekt seine Expertise als Feuerwehrmann und als Architekt einbringen.

Feuerwehr Caldern

© Andreas Ochs und Lars Sehrt

Sein Kollege Christopher Seifert stellte als ausgebildeter DGNB Auditor sicher, dass die Nachhaltigkeitskriterien für eine angestrebte Zertifizierung eingehalten wurden. Er hatte auch im Vorfeld erkannt, dass die Planung von Marcus Ochs Potential für eine Zertifizierung aufwies. Eine besondere Herausforderung war, dass sich unter den mehr als 7.000 DGNB-zertifizierten Bauwerken bislang noch kein Feuerwehrgebäude findet. In enger Abstimmung wurden die DGNB Kriterien für das Projekt anwendbar gemacht. Das DGNB Zertifikat in Gold beweist, dass die Mühe belohnt und die Nachhaltigkeitsbestrebungen erfüllt wurden.

Auch für die Gemeinde Lahntal war es die erste Zertifizierung eines Gebäudes nach DGNB. „Unsere Kommune sieht sich klar in der Verantwortung, mit gutem Beispiel voranzugehen und so unseren Beitrag zur Nachhaltigkeit zu leisten“, hält Sandra Riehl, Bauamtsleiterin der Gemeinde Lahntal fest. „Wir sind schon ein wenig stolz, dass unser optisch sehr gelungenes Gebäude nun auch ausgezeichnete Nachhaltigkeitswerte aufweist. Wir hatten Silber angestrebt, die Auszeichnung erfolgte abschließend sogar in Gold.“

Nachhaltigkeit auf ganzer Linie

Beim Energiekonzept steht eine Luft-/Wasser-Wärmepumpe in Kombination mit Fußbodenheizung im Fokus. So wird die aus der Umwelt gewonnene Wärme in ein Heizsystem geleitet, das aufgrund der großen Übertragungsfläche mit niedriger Vorlauftemperatur auskommt. Zudem wurde besonders viel Wert auf die Verwendung umwelt- und sozialverträglicher Materialien gelegt.

Zu guter Letzt haben sich die späteren Nutzer selber tatkräftig eingebracht. Organisiert in über 20 Arbeitsgruppen wurden Teile des Gebäudes in Eigenleistung errichtet und eigens finanziert. Außerdem werden Hausmeistertätigkeiten im Zuge einer Gebäudepatenschaft selbst übernommen. Die Identifikation der Nutzer mit dem Neubau ist sichergesellt. Beste Voraussetzungen für einen langlebigen und somit nachhaltigen Gebäudebetrieb.

Feuerwehr Caldern

Zur Zertifikatsübergabe trafen Marcus Ochs (apd architektur+ingenieurbüro), Manfred Apell (Bürgermeister), Sandra Riehl (Bauamtsleiterin), Rafal T. Rogalski (apd architektur+ingenieurbüro) und Johannes Kreißig (DGNB) (v.l.n.r.) in der DGNB-Geschäftsstelle Stuttgart zusammen. © DGNB

Mut, Leidenschaft und Zusammenhalt als Erfolgsrezept

Im Mai 2021 wurde das Feuerwehrhaus planmäßig in Betrieb genommen. Die aktuell 35 aktiven Feuerwehrfrauen und -männer fühlen sich ebenso wie der Nachwuchs rundum wohl in ihrer neuen Wirkungsstätte. Jeder hat einen Teil zum Gelingen beigetragen und kann seine ganz eigene Geschichte erzählen.

„So ein tolles Projekt kann nur gelingen, wenn die Politik, die Verwaltung, die Planer, die Handwerker und die zukünftigen Nutzer des Gebäudes reibungslos zusammenarbeiten und das gleiche Ziel verfolgen. Alle Projektbeteiligten sind zu Recht sehr stolz auf das Ergebnis. Ganz besonders die Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr, die nach zwei Jahrzehnten Wartezeit endlich eine angemessene neue Unterkunft beziehen durften“ so die Rückmeldung aus Caldern von Projektleiter und Feuerwehrmann Marcus Ochs.

Feuerwehr Caldern

Der kompakte Baukörper ist in die Topographie des Ortes eingebunden. © Andreas Ochs und Lars Sehrt

1 Kommentare

  1. Thomas Lanko-Schmied sagt

    Guten Tag Frau Schröder,

    Ihr Beitrag ist sehr interessant. Zudem ist er sehr relevant für ein Projekt, welches wir aktuell in der Landeshauptstadt Düsseldorf planen. Es geht um einen Neubau einer Freiwilligen Feuerwehrwache. Für dieses Gebäude streben wir ebenfalls eine DGNB Zertifizierung an.

    Ich kümmere mich dabei im Bereich Energiemanagement um das Thema der Fördermittel. Aktuell können ja bekanntlich Förderanträge für EH40 NH-Klasse Gebäude gestellt werden. Allerdings liegen für die Gebäudekategorie einer Feuerwache die Nachhaltigkeits-Bewertungskriterien noch nicht vor.

    Wissen Sie welche Fördermittel im Rahmen des von Ihnen beschriebenen Referenzprojektes beantragt wurden? Könnten Sie mir alternativ/zudem die Kontaktdaten eines Ansprechpartners nennen. Gerne würde ich mich zu diesem Thema austauschen!

    Ich danke Ihnen im Voraus für Ihre Unterstützung.

    Freundliche Grüße
    Thomas Lanko-Schmied
    (Energiemanagement Landeshauptstadt Düsseldorf)

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