Als wir vor gut sieben Jahren die DGNB aus der Taufe gehoben haben, ging es nicht allein darum, Nachhaltigem Bauen mehr Aufmerksamkeit zu verleihen und ein funktionierendes Zertifizierungssystem zu etablieren. Teil unserer Erwartung war ebenso, Impulse in die Baukultur hinein zu setzen. Stand heute haben wir dies noch nicht in dem Maße erreicht, wie wir es uns gewünscht haben. Doch an dem Ziel hat sich nichts geändert. Deshalb haben wir seit einigen Monaten einen neuen Weg eingeschlagen, um uns der Antwort auf die Frage, wie sich die gestalterische und baukulturelle Qualität unserer gebauten Umwelt bewerten lässt, zu nähern.
Dass die gestalterische Qualität ein wichtiger Bestandteil von Nachhaltigkeit ist, daran besteht wohl kaum Zweifel. Gebäude, die uns ansprechen, die positive Assoziationen in uns auslösen, in denen wir uns wohlfühlen, werden schlussendlich auch genutzt. Ein technisch noch so exzellentes Gebäude läuft dennoch Gefahr, leer zu stehen, wenn dessen Architektur auf Ablehnung stößt. Was das mit Nachhaltigkeit zu tun hat? Nun, der größte Aufwand bei einem Gebäude steckt in dessen Bau selbst. Im Sinne der Nachhaltigkeit ist also bereits viel erreicht, wenn ein Gebäude lange steht und genutzt wird.
Vom Messen und Bewerten: Auf dem Weg zum Lösungsansatz
Nun lässt sich die gestalterische Qualität eines Gebäudes nicht messen oder beziffern, wie es etwa bei anderen Nachhaltigkeitskriterien wie der Ökobilanz, den Lebenszykluskosten oder der Innenraumluftqualität der Fall ist. Gleichzeitig haben wir aus den ersten Jahren der DGNB gelernt, dass wir das Thema nicht außer Acht lassen dürfen, wenn wir unseren Beitrag leisten wollen, dass Nachhaltigkeit und Baukultur künftig besser zusammengehen.
Wie aber gelangen wir zu guten, materiell ehrlichen, maßstäblich sinnvollen Gebäuden? Und wie lässt sich diese numerisch nicht zu erfassende Qualität möglichst objektiv bewerten?
Schnell war uns klar, dass wir uns diesen Fragen im DGNB Präsidium und in der DGNB Systementwicklung nicht allein stellen können und wollen. Gemeinsam mit den Architektenkammern und dem Bund Deutscher Architekten haben wir im Frühjahr einen Prozess gestartet, bei dem wir zahlreiche Experten eingeladen haben, einen Lösungsansatz zu erarbeiten. Dies waren nicht nur Fachleute aus dem Kreis der DGNB Mitglieder, sondern auch Externe. Nicht nur DGNB-nahe Experten, sondern auch Zertifizierungs-Kritiker. Nicht allein Architekten, sondern auch Stadtplaner und Ingenieure.
Pilotphase startet im Oktober
Uns ist bewusst, dass der Schlüssel zum Erfolg der von uns erarbeiteten Lösung in dessen Akzeptanz liegt. Nur wenn der Markt den von uns eingeschlagenen Weg hin zu einer Bewertung gestalterischer, baukultureller Qualität mitträgt, haben wir Erfolgsaussichten.
Präsentieren werden wir die Lösung erstmals im Rahmen der ExpoReal Anfang Oktober. Dann werden wir auch die Pilotphase einläuten, in der wir die ersten Gebäude dieser neuen Form der Prüfung unterziehen. Bis dahin arbeiten wir mit Hochdruck daran, unseren Ansatz so zu verfeinern, dass er in der Praxis funktioniert und mit dem bestehenden Zertifizierungsprozess der DGNB harmonisiert.
Der Weg zum Ziel: Interdisziplinär und im Diskurs
Hierfür werden wir weitere Workshops mit ausgewählten Marktteilnehmern durchführen. Denn eins habe ich in den letzten Monaten mehr denn je gelernt: Der Austausch – interdisziplinär und ergebnisoffen – birgt ein enormes Kreativpotenzial. Das war in unserem Auftaktworkshop Ende April so. Und auch in der Impuls Session, die wir im Rahmen der DGNB Mitgliederversammlung Mitte Juni durchgeführt haben.
Dort haben wir beispielsweise gelernt, dass die DGNB sich nicht so viele Gedanken machen muss, dass die Notwendigkeit einer objektiven Bewertung für uns zum Stolperstein werden könnte. Auch hat es uns dabei geholfen, von der Idee, einen zusätzlichen Preis zu verleihen, wieder Abstand zu nehmen. Es gehe für die DGNB mehr darum, den Prozess zu begleiten und schon in der Planungsphase Impulse zu setzen, so ein Ergebnis der Impuls Session. Weitere Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen: Wie kann es gelingen, das Thema ohne zusätzliche Bürokratisierung und ohne Extrakosten auf Planerseite umzusetzen? Ich bin zuversichtlich, dass es uns in den nächsten Monaten gelingen wird, auch auf diese Frage eine passende Antwort zu finden.
Bis dahin wollen wir diesen Blog nutzen, um einen Diskurs zum Thema zu führen. Denn natürlich gibt es zur Frage nach der Bewertbarkeit gestalterischer Qualität mehr als eine Meinung. Dieser Meinungsvielfalt wollen wir hier einen Raum geben. Einen Raum für Impulse, die Neues in Gang setzen können.