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Gesucht: Echter Wille zur konstruktiven Veränderung

Kommentar von DGNB Präsident Prof. Alexander Rudolphi zum Global Climate Strike

Die Organisatoren von Fridays for Future schreiben im Aufruf zum Global Climate Strike: „Wir sind auf dem besten Weg zu einer globalen Erwärmung, die über 3° C liegen wird. Klimawissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass auch weit unter 2° C massive Hungersnöte, Dürreperioden, Feuertornados, Überschwemmungen, Kriege und Todesfälle drohen.“ Von einem „besten Weg“ kann zwar nicht die Rede sein, aber sie haben mit ihrem Aufruf schlicht und einfach recht.

Seit einigen Jahren bekommen wir einen Vorgeschmack von den Folgen des Klimawandels – Hurrikans, Starkregen, Dürrezeiten und Hitzewellen, Verlust erster Siedlungsflächen durch anhaltende Trockenheit oder den steigenden Meeresspiegel, umweltbedingte Migration, Gletscherschmelze und das Auftauen der Permafrostböden mit einer Geschwindigkeit, die alle bisherigen Prognosen sprengt.

Diese Entwicklung ist bleibend und unausweichlich und schert sich – mit Verlaub gesagt – einen Dreck um die Bedenken und Debatten eines deutschen Klimakabinetts. Die politischen Diskussionen erscheinen kleinteilig, unentschlossen und ohne Strategie. Dabei tragen wir in Deutschland für die Minderung der zu erwartenden Probleme (wohlgemerkt: nicht die Vermeidung) sehr wohl eine Verantwortung. Und wir haben international eine Vorbildfunktion. Einfach deshalb, weil wir es inhaltlich und finanziell leisten können.

Die westliche Wachstumsideologie ist zwangsläufig endlich

Meine Enkelkinder werden – nach heutiger Lebenserwartung – das Jahr 2100 noch gesund und aktiv erleben. Manchmal denke ich darüber nach, wie es wohl sein wird im Jahr 2050 oder 2080 mit über 9 Milliarden Menschen, Ressourcen- und Flächenkonflikten. Was wird geblieben sein vom Vorsprung der Industrieländer im Lebensstandard, Megakonsum und Verschwendung? Und wie wurde dieser Vorsprung – wenn überhaupt und womöglich mit Abschottung und Gewalt – verteidigt? Unsere westliche Wachstumsideologie ist zwangsläufig endlich. Wer denkt über den Plan B oder über eine tatsächlich nachhaltige Wirtschaft und Gesellschaft auf der politischen Bühne nach?

Thema der DGNB sind Stadtquartiere und Gebäude. Insgesamt müssten im Rahmen des Klimaschutzplanes bis 2030 laut Umweltbundesamt ca. 45 Millionen Tonnen klimaschädliche Emissionen pro Jahr beim Gebäudebetrieb eingespart werden. Anstelle eines zahnlosen, über 100 Seiten starken Entwurfes zum Gebäudeenergiegesetz GEG als bloße Fortschreibung der bisherigen Vorgehensweise wären die notwendigen Konsequenzen gar nicht schwer.

Neue Maßstäbe für die Bewertung, Genehmigung und Förderung von Gebäuden

Zunächst müssen wir die Zielgrößen bzw. Indikatoren ändern. Anstelle des Energiebedarfes, der Kilowattstunde pro m² nutzen wir das Global Warming Potential, also die klimaschädlichen Emissionen pro Person im Gebäude. Schließlich sind klimaneutrale Gebäude das eigentliche Ziel. Das mag ein Paradigmenwechsel sein, aber es ist unvermeidbar und gleichzeitig das, was die Klimaforscher schon lange von uns fordern: nämlich die tatsächliche Umweltwirkung als Maßstab zu nehmen und nicht Zwischenschritte, den Aufwand oder die Einzelmaßnahme. Dabei beziehen wir uns auf die Person und nicht wie bisher auf den m², um den Rebound-Effekt durch immer mehr Flächenverbrauch in Gebäuden transparent zu machen.

Als nächstes werfen wir den Vergleich in der bisherigen Energieeinsparverordnung mit einem fiktiven Referenzgebäude auf den ehrenhaften Haufen der Geschichte und setzen klare Ziele: Wie viel Tonnen klimaschädliche Gase darf eine Person beim Wohnen oder Arbeiten verbrauchen? Heute können wir das für den Sektor „Gebäude“ benennen. Bewertet, genehmigt und gefördert werden dann Planungen und Gebäude danach, wie weit sie noch vom Ziel entfernt sind.

Bestandssanierung erfordert individuelle Optimierungsstrategien

Der dritte Schritt betrifft die wichtigste Aufgabe der nächsten Jahre, die energetische Sanierung unserer Bestandsgebäude. Die hohe konstruktive und funktionale Diversität vorhandener Gebäude, gepaart mit unterschiedlichsten baulichen Änderungen in der Vergangenheit und technischen Sanierungserfordernissen zwingt zu individuellen Optimierungsstrategien und Lösungen. Die bisherigen Förderungskataloge mit einer Aufzählung einzelner Maßnahmen sind aufwändig, kompliziert und eher geeignet, Innovationen und neue kreative Lösungen zu behindern.

Ausgehend von der Ermittlung der Klimawirkung des Gebäudes im vorhandenen Zustand wäre es sehr einfach, jede eingesparte Tonne CO2e pro Jahr mit einer pauschalen Förderung zu belohnen – gänzlich unabhängig von den gewählten Techniken und Maßnahmen einer individuell  angepassten energetischen Performance. Diese Vorgehensweise wäre sehr einfach und gut planbar, der Förderbetrag müsste natürlich entsprechend attraktiv bemessen sein. Dabei wäre der Anreiz für die Besitzer alter und unsanierter Gebäude besonders hoch, da hier schon einfache erste Maßnahmen zu deutlichen Einsparungen führen.

Nachhaltige, selbstverstärkende Regelungen statt Verbote

Und wenn man schon so weit ist, kann auch die Umlagefähigkeit von energetischen Sanierungsmaßnahmen auf die Mieten an die tatsächlich erreichte Wirkung, die Einsparung klimaschädlicher Emissionen gekoppelt werden. Die unsoziale Umlage versteckter Modernisierungskosten oder umdeklarierter Fassaden- oder Fenstersanierungen wäre nicht mehr möglich.

All das könnte man sofort beginnen, die dafür notwendigen Instrumente – Datengrundlagen, Berechnungsverfahren, Materialien und Produkte – sind vorhanden und werden im Rahmen des nachhaltigen Bauens seit über 10 Jahren von den Mitgliedern und Bauherren der DGNB fortlaufend erprobt und professionalisiert. Solche Regelungen wären nachhaltig, selbstverstärkend und kämen nebenbei ohne Verbote aus.

Voraussetzung wäre allerdings der echte Wille zur konstruktiven Veränderung. Den zu erreichen ist Ziel und Aufgabe von Fridays for Future.

Kategorie: Impuls

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The DGNB has had a close relationship with Professor Alexander Rudolphi since its inception. He was one of the 16 co-founders of the association and its founding president. He returned to the role of DGNB President in 2013. As well as acting as an advisor on optimising the environmental friendliness of building materials and quality assurance, he is also a specialist in timber and construction and co-owner of the consulting firm Rudolphi & Rudolphi. Previously, he was a co-founder and managing director of GFÖB, the Berlin-based society for environmental construction technology.

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4 Kommentare

  1. Raphael sagt

    Vielen Dank für diese klugen Worte, Prof. Rudolphi! Wir müssen raus aus dem klima- und oft auch menschenschädlichen Status-Quo, hinein in eine technologieoffene, wirkungsorientierte Zukunft! Der Beitrag zeigt, dass die Ideen und das know-how da ist.

  2. Ein Gründach geht immer !!! kostet fast nichts und speichert CO2 . Habe es selbst ausprobiert. Freue mich jeden Tag darüber.
    Hast du ein Flachdach, das mit Bitumenpape belegt ist. (Es gehen auch andere Dachdeckungen). Lege einen alten Teppich drauf. Beschwere ihn mit Gehwegplatten. Kannst auch bessere Sicherungen vornehmen.
    Dann warte ab. Binnen kurzer Zeit wachsen Moos oder Flechten darauf.
    Ein weiterer Vorteil: Die Dachdeckung wird vor UV-Strahlen geschützt und das
    Regenwasser fließt nicht so schnell ab. Sieht außerdem sehr schön aus.
    Bei meinem Dach liegen noch paar Rasengitterplatten drauf. In denen wächst Sedum Hauswurz. Alles ist pflegelos ! Viel Spaß

  3. Hallo Alexander,
    mir wäre ein Bezug der Förderkosten auf die tatsächlich eingesparte Energie lieber. Der tatsächliche Verbrauch wird ja gemessen und jährlich abgerechnet. Die Abrechnung der Wärmekosten nach der Durchführung von energetischen Sanierungsmaßnahmen zeigt dann die tatsächliche Einsparung in kWh an. Der Förderbetrag müsste darauf so bemessen werden, dass ca. 40% der Maßnahmenkosten als Förderung gewährt werden und deren Auszahlung über einen Zeitraum von 20 Jahren gestreckt wird.

    Solange die Umlage von Mod-Kosten auf die Miete nicht komplett abgeschafft oder auf maximal 2% begrenzt wird und gleichzeitig die daraus resultierenden Ablehnungen der Mieter nicht auch abgeschafft werden, wird sich an dem Umfang an baulichen Maßnahmen nicht viel entwickeln. Wir brauchen jetzt einschneidende und wirksame Maßnahmen.

    Grusz Reinhard

  4. Christiane Thalgott sagt

    Und das Wohnungseigentumsgesetz ist dringend zu ändern.
    Solange 100% Zustimmung für jede bauliche Maßnahme erforderlich ist, wird eine spürbare energetische Sanierung im großen Bestand der Gebäude mit Eigentumswohnungen nicht erfolgen; mehr als 2/3 der Eigentümer wird man kaum erreichen!

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