Hoch oben im Norden, rund 70 Kilometer vom deutschen Festland entfernt, auf Helgoland, ist ein ganz besonderes Gebäude mit dem DGNB Zertifikat in Gold ausgezeichnet worden: Die Service- und Betriebsstation von RWE. Florian Würtz, Leiter des Operation Managements Kontinentaleuropa bei RWE Innogy, hat mit uns über eben dieses Projekt gesprochen und verraten, was es so besonders macht.
Felix Jansen (FJ): Hallo Herr Würtz, wenn ich an Helgoland denke, dann denke ich an eine Urlaubsinsel mit langen Stränden und Natur pur. Sie haben dort mit RWE eine neue Betriebs- und Servicestation gebaut. Was kann ich mir darunter vorstellen? Was passiert tagtäglich in diesem Gebäude?

Florian Würtz auf dem Boot „Sarah Jane“ in der Nähe von Beaumaris Pier, England | Quelle: RWE
Florian Würtz (FW): Eine Urlaubsinsel ist Helgoland für unsere Kollegen nicht. Für die meisten ist es Arbeitsstätte und Wohnort auf Zeit. Die Mitarbeiter der Betriebsmannschaft verbringen im Regelfall zwei Wochen dort, bevor sie im Anschluss in eine zweiwöchige Freischicht gehen. Von Helgoland aus betreuen und steuern sie den Offshore-Windpark Nordsee Ost und koordinieren die notwendigen Tätigkeiten. Hierzu befinden sich in der Servicestation neben Büro-, Sozial- und Umkleideräumen auch ein großes Lager sowie die Leitwarte des Windparks. Die Leitwarte kann in vielerlei Hinsicht als das Gehirn des Windparks bezeichnet werden, da hier nicht nur die Fäden zur Steuerung aller technischen Systeme zusammenlaufen, sondern vor allem auch das Expertenteam aus der Ferne über einen sicheren Betrieb wacht und, wenn nötig, eingreifen kann.
FJ: Helgoland ist wahrscheinlich kein Standort, an dem man einfach so mal baut. Rein logistisch stelle ich mir das durchaus anspruchsvoll vor. Stimmt das? Oder anders formuliert: Gab es während des Planungs- und Bauprozesses besondere Anforderungen und Herausforderungen, die Sie meistern mussten?
FW: Ich glaube aus heutiger Sicht sagen zu können, dass wir, als wir uns mit dem Standort Helgoland vor nunmehr fast sieben Jahren erstmalig beschäftigt haben, das Thema „Bauen auf einer Insel“ und die daraus resultierenden Herausforderungen völlig unterschätzt haben. Unser damaliges Augenmerk galt vor allem der Tatsache, dass Helgoland durch seine exponierte Lage in der Deutschen Bucht und die Nähe zu unserem Windpark eine herausragende Rolle in unserem Servicekonzept spielen würde. Ebenso ging es später auch unseren Planern sowie den ausführenden Baufirmen, für die ein solches Gebäude auf einer Hochseeinsel sicher auch in vielen Bereichen Neuland war. Neben der offensichtlichen Herausforderung, alle Baumaterialien rechtzeitig auf die Insel angeliefert zu bekommen, brachte das Thema Kampfmittelbeseitigung einige Schwierigkeiten mit sich. Immerhin war die Insel „Hochseefestung“ und später Bombenabwurfgelände. Des Weiteren waren auch die Wetterverhältnisse rauer als gedacht. In die Bauzeit fielen zwei „Jahrhundertstürme“. Außerdem hatten wir als Bauherr den Wunsch, unser Gebäude möge den strengen Vorgaben der DGNB genügen.
FJ: In Ihrer eigenen Projektbeschreibung geben Sie an, dass für das Gebäude ausschließlich mit nachhaltigen Materialien gearbeitet wurde. Was heißt das konkret?
FW: Wahrscheinlich können Sie das im Detail besser beantworten. Für uns hieß es bei der Auswahl aller Materialien uns an den Regeln und der Bewertung der DGNB auszurichten, was den planenden und ausführenden Kollegen in manchen Bereichen sicher einiges Kopfzerbrechen bereitet hat. In vielen Fällen war es aber auch die Erkenntnis, dass nachhaltige Materialien gar nicht so exotisch sind, wie man in einem ersten Moment vielleicht denken könnte. Wir sind aber nach wie vor überzeugt, dass wir mit der strengen Auswahl der Baumaterialien nach ökologischer und ökonomischer Qualität den richtigen Weg gegangen sind und damit auch zum langfristigen Wohl der Mitarbeiter, der Helgoländer und somit auch im Sinne des Unternehmens gehandelt haben.

Florian Würtz am Windpark Rhyl Flats | Quelle: RWE
FJ: Ganz grundsätzlich gefragt: Warum war es Ihnen wichtig, nach Nachhaltigkeitsstandards zu planen und zu bauen und letztlich das Gebäude auch zertifizieren zu lassen?
FW: Für uns ist dies ein wichtiger Teil eines schlüssigen Gesamtkonzeptes. Bei diesem gehören eine nachhaltige Form der Energieerzeugung, als Grundlage unseres Geschäftes, mit einer nachhaltigen und funktionalen Auslegung der dafür notwendigen Infrastruktur sowie die entsprechende Sensibilisierung der Mitarbeiter für diese Themen eng zusammen. Wir haben uns hier bewusst sehr hohe Ziele gesetzt – im Fall der Servicestation eine Zertifizierung nach dem Gold-Standard bzw. jetzt Platin-Standard der DGNB – und sind als Team stolz darauf, dieses Ziel letztlich auch erreicht zu haben bzw. durch das Zertifikat bestätigt zu bekommen.
FJ: Das Gebäude ist Teil des Gesamtkonzepts unter dem plakativen Titel „Grüne Insel“. Was genau verbirgt sich dahinter?
FW: Wie von Ihnen schon eingangs erwähnt, fallen vielen Menschen bei dem Stichwort Helgoland eher Begriffe wie Naturerlebnis oder Urlaub am bzw. auf dem Meer ein. Diesbezüglich hat Helgoland sicher einen einmaligen Charakter und dadurch auch traditionell eine starke Ausrichtung auf einen naturverträglichen Tourismus. Da aber auch Helgoland ein großes Interesse an einer Weiterentwicklung hat, werden, auf diesem Alleinstellungsmerkmal aufbauend, auch andere Bereiche wie z. B. die Meeresforschung oder eben die Offshore-Windenergie angesiedelt. Dass dies nicht in allen Bereichen ohne Spannungen abläuft, ist sicher verständlich, aber als neue „Mitbürger“ und gute Nachbarn auf der Insel möchten wir uns hier natürlich möglichst gut einfügen. Der gemeinsame Nenner, auf dem dies stattfindet, kann gut unter dem Schlagwort „Grüne Insel“ zusammengefasst werden, und jede Partei bringt eben seine ganz eigene Facette von „Grün“ ein. In unserem Fall: Ein nachhaltig errichtetes Servicegebäude auf der Insel und 48 Windkraftanlagen zur regenerativen Stromerzeugung auf hoher See.