Deutschland braucht einen Standard für die Gebäudezertifizierung, um in Sachen Klimaschutz schnell genug voranzukommen. Zu diesem Schluss kommt Anwalt Michael Halstenberg von der Kanzlei Franßen & Nusser. Er hat ein Rechtsgutachten zur Nachhaltigkeitsbewertung von Gebäuden in Deutschland durchgeführt, das die DGNB in Auftrag gegeben hatte. In fünf Antworten ordnet er das Gutachten ein.
Felix Jansen (FJ): Herr Halstenberg, die DGNB hat Sie damit beauftragt, ein Gutachten zur Nachhaltigkeitsbewertung von Gebäuden in Deutschland anzufertigen. Warum braucht es das überhaupt?
Michael Halstenberg (MH): Mittlerweile gibt es viele Rechtsbereiche, in denen die Rechtsanwender nicht mehr nachvollziehen können, welche Regelungen es überhaupt gibt. Dafür werden dann „Road Maps“ benötigt. Diese leiten den Anwender durch die Vielzahl von Vorschriften, die es auf Europäischer Ebene, vom Bund, von den Ländern und den Gemeinden gibt. Dazu gehört mittlerweile leider auch die Nachhaltigkeitszertifizierung von Gebäuden. Das Gutachten stellt auf 60(!) Seiten rudimentär dar, in welchen Rechtsbereichen die Zertifizierung eine Rolle spielt und wie diese abläuft.
FJ: Angefertigt wurde es für die DGNB selbst. Diese hat es jetzt kostenfrei veröffentlicht. Für wen lohnt sich die Lektüre?
MH: Eigentlich für alle, die mit Immobilien zu tun haben. Denn die Nachhaltigkeitszertifizierung von Gebäuden ist fester Bestandteil der Nachhaltigkeitsberichtserstattung, zu denen die Unternehmen der Immobilienbranche zunehmend verpflichtet werden. Von Interesse ist es aber auch für Unternehmen, die Immobilienfonds verwalten oder finanzieren, Stichwort ESG. Damit gewinnt die Nachhaltigkeitszertifizierung über den Neubau hinaus Bedeutung für den gesamten privaten und öffentlichen Immobilienbestand, der ja in besonderer Weise Regelungsgegenstand der Energieeinsparvorschriften der EU und des Bundes ist.

Das Gutachten liefert auf 60 Seiten Erkenntnisse zur Nachhaltigkeitsbewertung von Gebäuden in Deutschland..
FJ: Was sind die wichtigsten Erkenntnisse in dem Gutachten?
MH: Die Zertifizierung von Gebäuden in Deutschland ist überreguliert. Neben Systemen, die aus dem Bereich des Gebäudeenergiegesetzes stammen, gibt es Systeme des Bundes, private Systeme und Mischformen. Vieles davon wird auch noch staatlich finanziert. In Zeiten, in denen mittlerweile auch die Politik eine Entbürokratisierung fordert, wäre dies ein Bereich, in dem Entbürokratisierung schnell umsetzbar wäre, was zudem viele personelle Ressourcen einsparen würde, wenn man sich auf ein europakonformes, objektives und transparentes System einigen könnte, das von allen als Standard genutzt werden kann.
„Die DGNB als Marktführer hat ihre Bereitschaft erklärt, ihr System für alle nutzbar zu machen und mit allen Akteuren weiterzuentwickeln. […] Dieses Angebot sollten die Beteiligten meines Erachtens nutzen.“
FJ: Was sind die Hauptursachen dafür, dass es zu so einer Vielzahl von Parallelaktivitäten gekommen ist?
MH: Anfangs gab es auf internationaler Ebene mit LEED und BREAAM zwei Systeme, die aber den deutschen Anforderungen nicht genügten. Daher gab es eine Vereinbarung des Bundesbauministeriums und der DGNB ein deutsches System zu entwickeln. Leider haben sich diese Systeme dann verselbständigt. Dazu hat das Bundeswirtschaftsministerium eigene Kontrollsysteme in Zusammenhang mit der KfW Förderung entwickelt. Dann haben einzelne Akteure der Immobilienwirtschaft begonnen, Voraussetzungen für eigene Systeme zu schaffen. Schließlich ist die EU regulatorisch im Rahmen des Green Deal tätig geworden. Statt auf eine Nutzung des Vorhandenen und eine Vereinheitlichung zu setzen, haben in Deutschland viele lieber ihre eigenen Ziele verfolgt. Das kostet aber Geld, personelle Ressourcen (die wir nicht mehr haben) und mindert die Effektivität der Instrumente, weil Unübersichtlichkeit Green Washing begünstigt.
FJ: Was heißt das nun für die Zukunft? Worauf kommt es jetzt an, damit es keine weiteren Fehlentwicklungen gibt? Und welche Rolle spielt für Sie dabei die DGNB?
MH: Die Akteure wären in Deutschland gut beraten, wenn man sich auf einen Standard einigen würde, an dem alle interessierten Kreise mitarbeiten können. Die Strukturen und Gremien dafür existieren bereits. Alle Akteure kennen sich. Ein solches System wäre für alle transparent, verlässlich und europakonform. Es könnte bei privater Zertifizierung, z. B. im Rahmen von ESG genauso genutzt werden, wie bei öffentlichen Bauvorhaben oder zur Prüfung der Fördervoraussetzungen der KfW. Die DGNB als Marktführer hat ihre Bereitschaft erklärt, ihr System für alle nutzbar zu machen und mit allen Akteuren weiterzuentwickeln. Das DGNB System ist weithin anerkannt, auch international. Dieses Angebot sollten die Beteiligten meines Erachtens nutzen. Das gilt auch für die öffentliche Hand. Wer das nicht will, der will in Wahrheit auch keine Entbürokratisierung.
Das Rechtsgutachten steht kostenlos zum Download zur Verfügung unter: www.dgnb.de/hintergrundinformationen.
Am Montag, 16. Oktober um 15 Uhr findet hierzu eine Pressekonferenz statt. Mit dabei sind die beiden DGNB-Vorstände Dr. Christine Lemaitre und Johannes Kreißig sowie der Gründungspräsident der DGNB Prof. Alexander Rudolphi. Die Anmeldung ist möglich über diesen Link.
Ich bin auch dieser Meinung. Ebenso mein Mietrecht Anwalt. Wir brauchen in Deutschland dringend Deregulierung bei der Gebäudezertifizierung.