In der öffentlichen Wahrnehmung werden mit DGNB, LEED und BREEAM drei der weltweit führenden Systeme zur Zertifizierung von nachhaltigen Gebäuden häufig in einem Atemzug genannt, gleichgesetzt und für austauschbar befunden. Dabei gibt es neben den offensichtlichen Gemeinsamkeiten einige fundamentale Unterschiede. In einer Blogserie stellen wir diese vor.
Im dritten und letzten Teil der Serie stellen wir eine Reihe von Besonderheiten des DGNB Systems vor, in denen es sich von den anderen Systemen am Markt abhebt.
9) Messung der Innenraumluftqualität
Die Innenraumluftqualität ist im DGNB System eines der Kriterien, deren Nichterfüllung eine Zertifizierung ausschließen – unabhängig vom übrigen Zertifizierungsergebnis. Dabei muss bis spätestens vier Wochen nach Fertigstellung des Gebäudes eine Messung des Schadstoffgehalts in der Luft vorgenommen werden. Diese Prüfung trägt im DGNB System dazu bei, möglichst sicherzustellen, dass in der Bauausführung auch tatsächlich in der Qualität und mit den Produkten gearbeitet wurde, wie es in den Planungsunterlagen dokumentiert wurde. Weltweit hat die DGNB an die Innenraumluftqualität die strengsten Anforderungen, was die Bedeutung des Themas für die Gesundheit der Gebäudenutzer unterstreichen soll. Bei den anderen Zertifizierungssystemen ist eine Messung der Innenraumluftqualität dagegen nicht zwingend vorgesehen.
Das neu entwickelte System WELL, das wie LEED über GBCI vertrieben wird, greift die Aspekte „Health & Well-Being“ mit auf. Das System ist jedoch äußerst umfangreich und damit kostspielig, greift zahlreiche Aspekte auf, die im deutschen Markt bereits durch gesetzliche Normen hinreichend geregelt sind, und nimmt Kriterien mit auf, die außerhalb des Gebäudekontextes stehen. Die Möglichkeit, ein Gebäude separat unter den Aspekten Gesundheit und Wohlbefinden zu beurteilen und zertifizieren zu lassen, ist aus Sicht der DGNB nicht sinnvoll, da die Nachhaltigkeit immer ganzheitlich und integral betrachtet werden muss.
10) Gestalterische und baukulturelle Qualität
Als erster und einziger Anbieter von Zertifizierungssystemen für nachhaltige Gebäude weltweit setzt sich die DGNB mit eigenen Angeboten für die Förderung der gestalterischen und baukulturellen Qualität in der Planungs- und Baupraxis ein. Gemeinsam mit der Bundesarchitektenkammer und unter fachlicher Begleitung des Bundes Deutscher Architekten wurde eine Methodik entwickelt, mit der sich die gestalterische und baukulturelle Qualität bewerten lässt. Bei fertig gestellten Gebäuden vergibt die DGNB ergänzend zum DGNB Zertifikat für Neubau- oder Bestandsprojekte eine eigene Auszeichnung. Projekte mit einer herausragenden gestalterischen und baukulturellen Qualität erhalten die Auszeichnung „DGNB Diamant“. Die Bewertung erfolgt über eine eigens zusammengestellte Kommission für Gestaltungsqualität. Zusätzlich bietet die DGNB Projekten in einer frühen Planungsphase die Möglichkeit, individuelle Handlungsempfehlungen von der Bewertungskommission zu erhalten. Übergeordnetes Ziel der Aktivitäten ist es, die gestalterische und baukulturelle Qualität der gebauten Umwelt zu fördern und konkrete Hilfestellung bei der Umsetzung zu geben. Die DGNB betrachtet Gestaltung und Baukultur als wesentliche Faktoren einer ganzheitlichen Nachhaltigkeit, die einen elementaren Beitrag dazu leisten, dass die Nutzer ein Gebäude akzeptieren und damit langfristig nutzen.

Das 50Hertz Netzquartier in Berlin erhielt im Oktober 2016 als erstes Gebäude weltweit die Auszeichnung „DGNB Diamant“.
11) Innovationsräume
Die DGNB versteht die Zertifizierung als Anreizsystem für Bauherren, Architekten und Planer, die Gebäudequalität unter Nachhaltigkeitsaspekten systematisch zu erhöhen. Innovationsfreiheit und Technologieoffenheit sind dabei wichtige Eigenschaften von Zertifizierungssystemen, um wirklich zukunftsorientierte Gebäude zu ermöglichen. Mit der Version 2018 hat die DGNB in ihrem System sogenannte Innovationsräume eingeführt, mit denen über eine alternative Nachweisführung innovative, in den Kriterien noch nicht formulierte Lösungen anerkannt werden. Mit diesem Verfahren zum Umgang mit Innovation unterscheidet sich die DGNB von anderen Zertifizierungsanbietern. Diese haben eigene Innovationskriterien integriert, in denen Maßnahmen losgelöst von den übrigen Nachhaltigkeitskriterien mit Extrapunkten belohnt werden können.
12) Circular Economy
Die Förderung des bewussten Umgangs mit Ressourcen zählt von Anfang an zu den DGNB Kernthemen. Dabei setzt sich die DGNB dafür ein, dass Materialkreisläufe für eine spätere Wieder- oder Weiterverwendung bereitstehen – über neue Geschäftsmodelle sowie eine verantwortungsvolle und vorausschauende Produktentwicklung. Das DGNB System ist das erste und bislang einzige seiner Art, das Circular-Economy-Lösungen auf der Gebäudeebene bewertbar und messbar macht. Um hier neue Ansätze zu fördern, werden diese Lösungen über entsprechende Boni belohnt, die sich positiv auf das Zertifizierungsergebnis auswirken.
13) Sustainable Development Goals
Mit den Sustainable Development Goals (SDGs) als zentralem Element der Agenda 2030 haben die Vereinten Nationen 17 konkrete Ziele definiert, um die weitere Entwicklung unserer Welt sinnvoll zu gestalten, damit langfristig ein Umdenken und somit ein Leben in einer nachhaltigen Welt zu ermöglichen. Die DGNB unterstützt diese Ziele und will über die Zertifizierung zu einem konkreten positiven Beitrag zu deren Erreichung animieren. Um den Zusammenhang einer nachhaltigen Bauweise mit den SDGs herauszuarbeiten und transparent zu machen, wurden sämtliche Kriterien der Version 2018 des DGNB Systems auf deren Verlinkung zu den Zielen der UN überprüft und entsprechend ausweisbar gemacht. Das Ergebnis der Analyse: Gleich 13 der 17 SDGs werden durch Kriterien der DGNB Zertifizierung direkt oder indirekt mit angesprochen. Für jedes Projekt, das eine DGNB Zertifizierung erfolgreich abschließt, bedeutet dies, dass es künftig eine Aussage darüber erhält, inwieweit es einen Beitrag zur Erreichung der SDGs leistet. Damit ist das DGNB System Vorreiter bei der Übersetzung der international gültigen SDGs in die Baubranche.
14) EU-Konformität
Wie kein anderes Zertifizierungssystem steht das DGNB System mit den darin verwendeten Methoden seit seiner Markteinführung für das europäische Nachhaltigkeitsverständnis. So fußt es vollständig auf EU-weit gültigen Normen und Gesetzen. Dies bedeutet für jedes DGNB zertifizierte Projekt, dass es über ein großes Maß an Zukunftssicherheit verfügt. Ein Beispiel ist die gemäß der EU-Normung im DGNB System verankerte Ökobilanzierung des gesamten Gebäudes von der Herstellung über den Betrieb bis zum Rückbau. Von Bedeutung ist dabei, dass die errechneten und optimierten Umweltwirkungen über wissenschaftlich definierte Benchmarks bewertet werden. In der Version 2018 hat die DGNB zudem die von der EU neu erarbeiteten Nachhaltigkeitsindikatoren des „Level(s) Rahmenwerks“ zur Kommunikation der Nachhaltigkeitsleistung von Gebäuden mit aufgenommen und in Bezug auf ihre Konformität mit den DGNB Kriterien herausgestellt.
Die 14 Aspekte unserer Blogserie zeigen, dass sich die verschiedenen Zertifizierungssysteme im Grundverständnis, in der Zielsetzung und Herangehensweise unterscheiden. Es zeigt sich, dass die Unterschiede eine Vergleichbarkeit und damit eine Austauschbarkeit zwischen den Systemen nicht rechtfertigen.
Zum Nachlesen:
- Der erste Teil der Blogserie beschäftigte sich mit einigen grundsätzlichen Unterschieden zwischen den Systemen.
- Im zweiten Teil der Reihe ging es um die verschieden Auszeichnungsformen, Nutzungsprofile, die Organisationen hinter den einzelnen Systemen und die Kosten der Zertifizierung.