Mit zunehmendem Bewusstsein der Gesellschaft für Klima- und Ressourcenschutz, steigt auch die Nachfrage nach entsprechenden Bauprodukten. Hersteller sind gefordert, ihren Beitrag zu einer hochwertig gebauten Umwelt zu leisten. Lösungsansätze gibt es genug, aber die Unternehmen müssen aktiver werden.
BLOGSERIE ZUM NEUEN JAHRZEHNT (TEIL 2)
2020 ist nicht irgendein Jahr. 2020 heißt: Nur noch zehn Jahre bis 2030, das Jahr, an das so viele Nachhaltigkeitsziele geknüpft sind. Vor diesem Hintergrund gibt das DGNB Präsidium eine Einschätzung zur Entwicklung des Gebäudesektors in den letzten zehn Jahren ab und blickt nach vorn. Ein Thema, sechs Perspektiven. Im nächsten Beitrag blickt Martin Haas auf die Rolle des Architekten beim nachhaltigen Bauen.
Die Nachfrage nach „nachhaltigen“ Bauprodukten ist in den letzten Jahren gestiegen. Das zeigt auch die Zunahme an Produktlabels. Diese reichen von FSC für Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft bis zur Zertifizierung von Beton (CSC), die 2016 entwickelt wurde. Heute haben wir eine Vielzahl solcher Kennzeichnungen, die eine Aussage über die Beschaffenheit, Herkunft und Herstellung eines Produktes liefern. Sie geben Architekten und Planern Orientierung, wenn sie nachhaltig bauen wollen. Seit 2018 hat die DGNB ein Verfahren zur Anerkennung von Labels für die Gebäudezertifizierung entwickelt und steigert damit die Nachfrage weiter. Dabei legt sie besonderen Wert der Bauprodukte auf die Transparenz hinsichtlich Risiken für die Umwelt, verantwortungsbewusster Ressourcengewinnung und die Rückbau- und Recyclingfreundlichkeit.
Kosten und Ressourcenknappheit als Treiber
Die steigende Nachfrage ist nur ein Grund, der Unternehmen in Richtung einer nachhaltigen Ausrichtung treibt. Regulative Maßnahmen wie die CO2-Bepreisung, die vermutlich weiter zunehmen wird, oder die Verabschiedung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes 2019 sind weitere. Allem voran sind es die endlichen Rohstoffe, die alternatives Denken und Innovationen fordern!
Neben den klassischen Rohstoffen müssen wir zukünftig insbesondere auch die Ressource Wasser bei der Produktherstellung betrachten: Bis 2050 soll der weltweite Wasserverbrauch seit 2000 um 55 Prozent steigen. Bis dahin werden 40 Prozent der Weltbevölkerung in Gegenden mit massiver Wasserknappheit leben. Das Grundwasser ist zunehmend belastet und nimmt rasch ab.
Lösungsansatz: Circular Economy

Auf dem Weg zum kreislauffähigen Produkt werden Abbau und Abfall Schritt für Schritt reduziert. © DGNB
In den letzten Jahren hat sich insbesondere ein innovativer und vielversprechender Lösungsweg herauskristallisiert, der wichtige Antworten auf Klimawandel und Ressourcenknappheit liefert. Die Rede ist vom System der Kreislaufwirtschaft oder Circular Economy. Sie fordert ein radikales Umdenken, weg vom linearen Wirtschaftssystem. Für Hersteller geht es im Kern darum, Bauprodukte als Wertstoffe zu verstehen, die am Ende nicht entsorgt, sondern zurück in einen technischen oder biologischen Kreislauf geführt werden. Das Ziel ist eine konsequente Abfallvermeidung und eine möglichst hohe Wieder- oder Weiterverwendung von Produkten. Notwendig dafür sind neue Geschäftsmodelle sowie eine verantwortungsvolle und vorausschauende Produktentwicklung. Zur Ausrichtung der Bauprodukte und auch zum Nachweis gibt es seit 2010 das Cradle to Cradle Zertifzierungssystem. Fünf Anforderungen verdeutlichen den ganzheitlichen Nachhaltigkeitsansatz dieser Methode:

In einem Report der DGNB erfahren Sie, warum die Circular Economy ein elementarer Baustein des nachhaltigen Bauens ist.
- Nutzung von sicheren und unbedenklichen Inhaltsstoffen
- Definition der Wiederverwendung von Materialien
- Einsatz und Erzeugung von erneuerbaren Energien
- Erhalt und Optimierung der Wasserqualität
- Förderung sozialer Gerechtigkeit und Menschenwürde
Auch die DGNB hat die Cradle to Cradle Philosophie aufgenommen. Mit der Version 2018 des DGNB Systems hat sie sogenannte Circular-Economy-Boni eingeführt. Diese ermöglichen die Bewertung und Messbarkeit konkreter, fortschrittlicher Lösungen im Rahmen einer Gebäudezertifizierung.
Wir brauchen Umweltproduktinnovatoren!
Gesucht sind also Unternehmen, die das Ressourcenproblem ernst nehmen und sich auf oben genannte neue Denkweisen einlassen. Betriebe, die in die Umwelt und eben auch in die eigene Zukunftsfähigkeit investieren: Umweltproduktinnovatoren!
Die Realität ist leider ernüchternd. Nur ein Drittel der Unternehmen in Deutschland sind Umweltproduktinnovatoren. Das zeigt die Erhebung „Modernisierung der Produktion“ des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI. Als Innovator gilt ein Unternehmen, das in mindestens einem Umweltaspekt erhebliche Verbesserungen erzielt hat. Damit verursacht es geringere Umweltauswirkungen als früher. Bei einigen Umweltaspekten besteht noch großer Handlungsbedarf. Fast drei Viertel der in der Studie identifizierten Innovatoren gelten als solche, weil sie den Energieverbrauch reduzieren. Aber nur 22 Prozent haben ihre Produkteigenschaften hinsichtlich Recyclings und Kreislaufwirtschaft optimiert!

Anteil der Umweltaspekte, die Umweltproduktinnovatoren verbessert haben © Fraunhofer ISI, Studie „Modernisierung der Produktion“
Jetzt aktiv werden!
Die Nachfrage steigt, der Druck nimmt zu, die Lösungsansätze sind da. Damit die genannten Zahlen in den nächsten zehn Jahren zugunsten der Umwelt steigen, müssen viele Unternehmen jetzt handeln. Sechs Punkte machen deutlich, worauf es dabei ankommt:
- Nachhaltigkeit in der Unternehmensstrategie verankern: Nachhaltigkeit ist mehr als eine Floskel. Sie muss in der Unternehmensstrategie verankert werden. Und sie muss gesteuert und gemanagt werden. Dafür bedarf es den Aufbau von Know-how. Ein Anfang ist es dann, das eigene Wirken zu ermitteln und zu bewerten.
- Verantwortung übernehmen: Verantwortung für die eigenen Bauprodukte übernehmen heißt, schon bei der Entwicklung an den gesamten Lebenszyklus zu denken. Dazu gehört eine Denkweise, die die nächsten Generationen mit einbezieht.
- Soziale Nachhaltigkeit: Der Mensch ist und bleibt der Mittelpunkt in Unternehmen und ist der entscheidende Einflussfaktor für den Erfolg des Unternehmens. Sein Wohlbefinden sollte langfristig gesichert werden.
- Innovationen fördern: Wenn das ökonomische Interesse besteht, die eigenen Bauprodukte wieder in den Kreislauf zurückzuführen, können ganz neue Geschäftsmodelle entwickelt werden. Diese wiederum bringen einen Wettbewerbsvorteil am Markt.
- Die gesamte Lieferkette beachten: Spätestens, wenn bei den eigenen Produktprozessen Zusatzstoffe benötigt werden, weitet sich das Thema über das eigene Unternehmen hinaus aus. Wir sind auf andere in der Liefer- und Wertschöpfungskette angewiesen und können diese wiederum beeinflussen: Wer die Themen der Nachhaltigkeit schon lebt, sollte die anderen mitnehmen.
- Digitalisierung nutzen heißt: Mehr Transparenz und Datenqualität.
Leitfaden Ökobilanzierung: Umwelt-Produktdeklarationen (EPDs) bilden eine wichtige Datengrundlage für Gebäude-Ökobilanzen.
Die Bereitstellung und Verbreitung von Produktinformationen sollte zur Normalität werden. Zu nennen sind hier die Umwelt-Produktdeklarationen (EPDs), die eine sehr genaue Aussage über die Umweltauswirkungen liefern. Zudem steht mit der Methode BIM (Building Information Modeling) eine wichtige Plattform zur Verfügung. Hier sollten unsere Bauprodukte andocken, um die vernetzte Planungsmethode schnell in die Dimension BIM 6D zu bringen – ein Entwicklungsschritt, der Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt.
Meine Erfahrung
Aus eigenen Erfahrungen kann ich sagen, dass sich die nachhaltige Ausrichtung lohnt. Wer sich auf neue Denkweisen wie die Kreislaufwirtschaft einlässt und das Thema wirklich managt, wird den eigenen Mitarbeitern, der Umwelt und dem Unternehmenserfolg langfristig gerecht. Damit sind wir bei der Kernbedeutung der Nachhaltigkeit: die Dreifaltigkeit aus ökologischen, ökonomischen und soziokulturellen Aspekten. Das ist Zukunftsfähigkeit im großen Stil. Diese brauchen wir für die nächsten zehn Jahre.
Titelbild: Das Foto (© Laura Stamer) zeigt das Green Solution House in Bornholm, Dänemark. Das Hotel- und Konferenzcenter wurde nach der Philosophie von Cradle-to-Cradle konzipiert und hat für seine zirkuläre Nachhaltigkeit eine DGNB Zertifizierung erhalten. Mehr zum Projekt auf der Website der GXN Architects.
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