Sustainable Development Goals, Weltweit
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„Ziele für nachhaltige Entwicklung: „Kein Add-On für Business as usual“ (Teil 2)

Sustainable Development Goals, United Nations, Credit: UN Photo/Manuel Elías

Eine bessere Welt im Jahr 2030 soll mit den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) der Vereinten Nationen erreicht werden. Damit diese gesehen und gehört werden, setzt sich Marc Buckley als SDG-Botschafter ein. Im zweiten Teil des Interviews sprechen wir über den Status Quo, Green Washing, die Rolle des Bausektors und wie es nach 2030 weitergeht.

Pia Hettinger: Die Fortschritte der SDGs werden jährlich ausgewertet. Wo stehen wir denn heute ?

Vor 2020 waren viele Gelder da, wir waren auf einem guten Pfad. Dann kam die Pandemie. Die Länder haben die Nachhaltigkeitsziele vernachlässigt und den Fokus auf die Pandemie gelegt – das hat uns zurückversetzt. Wir müssen verstehen, dass mehr Pandemien kommen werden. Wenn wir jedes Mal so reagieren, werden wir nie in der Zukunft ankommen. Im Länderbereich haben wir also einen Rückschritt erlebt, aber private Personen und Unternehmen machen große Fortschritte.

Jedes Jahr im September kommt ein Indexreport raus, der konkrete Zahlen zeigt. Deutschland war 2021 in 0 von 17 Zielen im grünen Bereich. 165 von 197 Länder haben einen Bericht eingereicht. Dabei kommt es aber nicht darauf an, welches Land vor welchem rankt. Wir müssen verstehen, dass alle Länder die Ziele erreichen müssen. Wir leben alle auf demselben Planeten.

PH: Wenn wir speziell auf das Thema Klimaschutz schauen – was ist dein Fazit zur Weltklimakonferenz in Glasgow in 2021?

Die Verpflichtungen der Länder zu Emissionssenkungen bis 2030 waren nicht tiefgreifend genug. Aber sie haben einem Prozess zugestimmt, der das 1,5-Grad-Ziel weiterhin am Leben halten soll. 151 Länder haben neue Klimapläne vorgelegt, um ihre Emissionen bis 2030 zu senken. Um das 1,5-Grad-Ziel in Reichweite zu halten, müssen wir die weltweiten Emissionen bis zum Ende dieses Jahrzehnts um die Hälfte reduzieren. Nach Berechnungen der Vereinten Nationen jedoch werden diese Pläne die Welt bis zum Ende des Jahrhunderts auf eine Erwärmung von 2,5° C, möglicherweise sogar 2,7° C bringen. Das ist zwar besser als die 4° C, auf die sich die Welt vor dem Pariser Abkommen zubewegt hat, aber immer noch extrem gefährlich. Ich war auch an Veranstaltungen des Privatsektors dabei. Fast 500 globale Unternehmen der Finanzbranche haben sich dazu bereit erklärt, fast 40 Prozent des weltweiten Finanzvermögens mit dem Pariser Klimaabkommen in Einklang zu bringen.

Marc Buckley spricht auf der Weltklimakonferenz zum Thema Resilienz

Marc Buckley spricht auf der Weltklimakonferenz zum Thema Resilienz

PH: Du berätst auch Firmen zu ihren Nachhaltigkeitsstrategien. Siehst du für die SDGs eine große Gefahr im Green Washing?

Ich erlebe oft, dass Firmen am Ende des Jahres ihren Bericht vorlegen und sich überlegen, was haben wir in diesem Jahr erreicht, das zu den SDGs passt. So bringt das gar nichts! Vielmehr muss man die SDGs in die Unternehmensstrategie und konkrete Maßnahmen überführen – und kann dann am Ende des Jahres über die positiven, nachgewiesenen Resultate berichten und auf die SDGs hinarbeiten.

„Die SDGs müssen in die Unternehmensstrategie und konkrete Maßnahmen überführt werden.“

PH: Welche Rolle nimmt der Bausektor zur Erreichung der Ziele ein?

Nachhaltige Entwicklung heißt auch, die Infrastruktur dafür zu schaffen. Unsere Häuser sind momentan nicht vorbereitet auf die Klimakrise. Deutschland wird stark betroffen sein von den Auswirkungen des Klimawandels. Wir brauchen resiliente Strukturen mit erneuerbaren Energien, Wasserversorgung, Ernährung, die die Basisbedürfnisse abdecken können, egal was morgen kommt. Jede und jeder Einzelne kann sich fragen, wo wohne ich und wie sieht die Zukunft aus? Wie kann ich mich vorbereiten.

Bauen und SDGs Grafik

Die DGNB zeigt in ihrem Report „Bauen für eine bessere Welt“ auf, wie der Gebäudesektor einen Beitrag zur Erreichung der SDGs leisten kann. Der Report kann hier kostenfrei bestellt werden: www.dgnb.de/publikationen

PH: Ist Resilienz der neue, große Begriff? Was kommt denn nach 2030?

2019 starteten wir bereits mit der Arbeit an einer Roadmap für den Zeitraum von 2030 bis 2050. Sie steht unter dem Motto „Grenzen der Resilienz“ (Resilience Frontiers). Wir haben bereits mit 8 Wegen begonnen, um unsere Infrastrukturen widerstandsfähiger zu machen und sicherzustellen, dass wir solide Ziele haben, um die Menschheit sicher ins Jahr 2050 zu bringen.

„Mein Motto lautet im Dienst am Leben regenerativ zu handeln.“

PH: Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Was ist deine Weltanschauung?

Ich glaube an die Wissenschaft und an Harmonie. Wir sind alle Brüder und Schwestern. Mein Motto ist SEVA. Das ist ein Begriff aus dem alten Sanskrit und bedeutet im Dienst am Leben regenerativ zu handeln. Drei Fragen sind für das Handeln zu beantworten: Wie dient es dem Individuum? Wie dient es der Community? Wie dient es dem Leben? SEVA besagt mehr zu geben, als du nimmst. Nur so kann eine nachhaltige Entwicklung gelingen.

Vielen Dank für das offene Gespräch.

 


Portrait Marc Buckley. Credit: Karsten Rakete

Portrait Marc Buckley. Credit: Karsten Rakete

Marc Buckley hat globale Umwelt- und Nachhaltigkeitsstudien, Betriebswirtschaft, Informatik, Recht, Wirtschaft und Agronomie studiert. Er berät die Vereinten Nationen und ist einer der ersten Klimaaktivisten, die von Al Gore ausgebildet wurden. Er ist Teil des Expertennetzwerks des Weltwirtschaftsforums für die Themen Innovation, Klimawandel, Landwirtschaft und Ernährung. Und er berät Unternehmen hinsichtlich der Implementierung von Nachhaltigkeit in ihre Prozesse und hält Reden weltweit. Zudem hat er selbst ein Lebensmittelunternehmen gegründet. Vor allem aber ist er SDG-Botschafter, und das hat uns besonders interessiert. Geboren ist er in den USA, aufgewachsen zum Teil auch in Deutschland. Heute lebt er in Hamburg und ist in Projekte weltweit involviert.

Titelbild Credits: UN Photo/Manuel Elías, www.un.org

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