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Was das Lieferkettengesetz für die Baubranche bedeutet

Kupfermine DK Kongo © Fairphone, via flickr, CC BY-SA 2.0

Immer noch wirtschaften zu viele Unternehmen so, dass Menschen und Natur ausgebeutet werden. Auch die Bauindustrie fällt darunter. Das Lieferkettengesetz ist ein längst überfälliger Schritt, um dem Thema mehr Beachtung zu schenken. Leider fehlt jegliche Konsequenz. Die DGNB hat eine klare Vision für faire Lieferketten und plädiert weiterhin für das freiwillige Mehrtun.

Lasst uns den Tatsachen ins Gesicht sehen. Die Globalisierung hat ihre Schattenseiten. Eine fällt auf Länder mit wertvollen Rohstoffen und unwürdigen Arbeitsbedingungen. Immer noch werden weltweit Menschen und Umwelt ausgebeutet, um auf der Sonnenseite Wohlstand zu schaffen. Deutschland ist nach den USA und China das drittgrößte Importland, ganze 775.000 Unternehmen importieren Ware aus Afrika, Asien und Amerika. Kaum ein Land ist also so intensiv in internationale Lieferketten eingebunden – und trägt damit so hohe Verantwortung. Das Baugewerbe ist dabei eine Schlüsselbranche der Bundesrepublik!

Dass jetzt endlich ein Entwurf für ein Lieferkettengesetz vorliegt, das Menschenrechte einfordern und Transparenz schaffen soll, ist also erstmal eine gute – aber auch längst überfällige Nachricht! Denn das freiwillige Engagement der Unternehmen, ihrer Sorgfaltspflicht nachzukommen, blieb in den letzten Jahren aus. Aufgerufen hatte Deutschland dazu auf Grundlage der von den Vereinten Nationen verabschiedeten Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Weniger als 50 Prozent haben die gesetzten Ziele erreicht. Und auch die EU zeigt in einer Studie zur Sorgfaltspflicht in Lieferketten, dass nur jedes Dritte Unternehmen seine Lieferketten sorgfältig prüft.

Wertschöpfung: Unsere Vision für 2050

Bei der DGNB haben wir das Ziel, den Wandel hin zu einer besseren Welt in der Baubranche voranzutreiben. Eine soziale, umweltfreundliche, gerechte Wertschöpfung von Baumaterialien vom Rohstoff bis zum Rückbau ist ein wesentlicher Teil dieses Wandels. Wir haben für die Jahre bis 2050 eine klare Vision: Alle Teilnehmer der Wertschöpfungskette werden die Vorteile einer verantwortungsbewussten Ressourcengewinnung verstehen. Dank einer verbesserten Transparenz entlang der Prozesse werden die erforderlichen Maßnahmen zielführend umgesetzt. Der Abbau von Ressourcen wird auf einem Niveau sein, welches kommenden Generationen gleiche Chancen bietet. Und der Einsatz von Sekundärmaterialien wird gesteigert durch eine entsprechende Infrastruktur und neue Technologien zur Verarbeitung von Baustoffen.

Ein Kriterium für verantwortungsbewusstes Handeln

Deshalb haben wir in unserem Zertifizierungssystem ein Kriterium geschrieben, das sich alleinig der verantwortungsbewussten Ressourcengewinnung widmet. Konkret geht es erstmal darum, mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit hinsichtlich der Herkunft, Ernte-, Anbau- und Abbaubedingungen sowie der Weiterverarbeitung zu schaffen. Gefragt sind also Unternehmen, die all diese Informationen offenlegen. Noch besser bewerten wir, wenn diese Informationen von einer externen Quelle geprüft werden. Im Idealfall wird hier die gesamte Lieferkette betrachtet. Bei der DGNB wiederum prüfen wir bestimmte Produktlabels und entscheiden, ob diese in unserer Zertifizierung anerkannt werden. FSC oder PEFC sind beispielsweise solche Zertifikate, die Holz aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern zertifizieren.

Das aktuelle Gesetz hilft wenig

Der aktuelle Gesetzesentwurf ist als Minimalkonsens zu lesen und hilft uns hier leider wenig. Dazu reicht schon der erste Blick auf die wesentlichen Eckpunkte. Es gilt erst ab 2023! Bei der DGNB setzen wir uns seit 2007 dafür ein. Es greift für Unternehmen mit über 3000 Beschäftigten, ab 2024 für alle mit 1000 Beschäftigen, das sind insgesamt gerade mal 2900 Unternehmen. Man beachte hierzu im Vergleich die oben genannte Zahl. Und die Sorgfaltspflicht gilt zunächst nur für das nächste Glied der Kette. Eine Haftungspflicht ist nicht vorgesehen.

Was wir wirklich bräuchten, ist ein Gesetz mit sofortiger Wirkung, welches viel mehr Unternehmen einschließt und dafür sorgt, dass wir die gesamte Lieferkette auf umweltschädigende und gegen Menschenrechte verstoßende Bedingungen zurückverfolgen. Sowie echte Anreize zur Veränderung durch eine Haftungsregelung bei Sorgfaltspflichtverstößen und zudem eine viel stärker umweltbezogene Sorgfaltspflicht. Die bereits genannte Studie der EU-Kommission schätzt, dass es große Unternehmen gerade mal 0,005 Prozent vom Umsatz kosten würde, wenn sie entsprechende Sorgfaltspflichten umsetzen würden (S. 427). Aber auch abgesehen von diesen Zahlen rechtfertigt kein Argument von Seiten der Wirtschaftslobby die verheerenden Arbeitsbedingungen.

Appell zum Mut und freiwilligen Mehrtun

Uns bleibt das, was wir seit unserer Gründung vertreten und von unseren zahlreichen Mitgliedern und Weiteren aktiv gelebt wird: der Mut und Wille zum freiwilligen Mehrtun! Wir warten nicht auf Politik und Gesetze. Wer heute nach DGNB baut, leistet einen aktiven Beitrag zur Transformation der Bauindustrie. All den Unternehmen, die heute für mehr Transparenz in ihren Lieferketten sorgen, können wir nur sagen: Schnell sein lohnt sich! Denn auch wenn das Gesetz noch wenig greift, so schafft es doch mehr Bewusstsein für die prekären Arbeitsbedingungen weltweit. Zudem werden weitere Regelungen kommen – auch von Seiten der EU. Nicht zuletzt bin ich mir sicher, dass auch der gesellschaftliche Druck weiter zunehmen wird. Fast 90 Prozent der Deutschen wünschen sich laut Bertelsmann Stiftung eine neue Wirtschaftsordnung.

 


Titelbild: Kupfermine in DR Kongo © Fairphone, via flickr, CC BY-SA 2.0

Kategorie: Impuls

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Anna Braune studierte Technischer Umweltschutz an der Technischen Universität Berlin und schrieb ihre Diplomarbeit über Ökobilanzen von Abwasseranlagen in Zusammenarbeit mit der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (Schweiz). Sie arbeitete für verschiedene Beratungsunternehmen im Bereich Nachhaltigkeit und Gebäudetechnik. Von 2004 bis 2007 war sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Stuttgart, am Lehrstuhl für Bauphysik, Abteilung Ganzheitliche Bilanzierung, tätig. Sie war Initiatorin und bis Ende 2008 die Gründungs-Geschäftsführerin der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB). Danach arbeitete sie beim Nachhaltigkeits-Beratungs- und Softwareunternehmen PE International, umbenannt seit 2014 in thinkstep. Als Principal Consultant war sie verantwortlich für das Team “Nachhaltiges Bauen” des Beratungsbereichs. Seit September 2015 arbeitet Anna Braune wieder für die DGNB, als Leiterin Forschung und Entwicklung.

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