Wohngebiet, Parkanlage, Fahrrad- und Fußgängerbrücke – Die Idee der „Living Bridge Amsterdam“ von Dominik Philipp Bernátek ist alles in einem. Ein Hybrid. Eine Zukunftsvision der Architektur von morgen, die angesichts immer dichter werdender Städte neue Lösungen bieten soll. Im Interview spricht der Architekt über das Projekt, aktuelle Herausforderungen und seine Visionen für unsere Städte der Zukunft.
Levke Kehl (LK): Herr Bernátek, der Entwurf zu Ihrer „lebenden Brücke“ gehört zum Projekt „Expanding Universes on Shrinking Footprints“ und ist Teil eines urbanen „Green Loop“ in Amsterdam. Können Sie das Projekt und Ihre Idee kurz zusammenfassen?

Die „Living Bridge Amsterdam“ soll Nord Amsterdam mit dem Zentrum verbinden.
Dominik Philipp Bernátek (DPB): Der Titel „Expanding universes on shrinking footprints“ beschreibt das Konzept meiner Arbeit als Ganzes. Das Projekt setzt sich mit der aktuellen Lage in Amsterdam auseinander. Die Stadt soll eine Metropole der Zukunft werden: nachhaltig und vernetzt für die Menschen. Ziel ist, Autos in der Innenstadt zu reduzieren, die Begrünung der Stadt sowie das Wohlbefinden der Menschen zu erhöhen. Mein Vorschlag eines „Green Loops“ setzt hier an. Er beschreibt eine urbane Strategie, die einen Radfahrer- und Fußgängerpark um das historische Stadtzentrum kreiert und u.a. die Mobilität fördert. Es handelt sich um eine zukunftsorientierte und wortwörtlich ‚grüne‘ Allegorie zur historischen Stadtmauer, wobei Living Bridge Amsterdam ein integraler Teil des Green Loop ist und Nord Amsterdam mit dem Zentrum verbindet. Das Konzept vereint Wohngebiet, Parkanlage, Fahrrad- und Fußgängerbrücke in einem.
LK: Was war Ihnen bei der Entwicklung Ihres Entwurfs der „Living Bridge Amsterdam“ besonders wichtig?

Die Aussicht aus den Wohngebäuden auf der Brücke.
DPB: Es lag mir am Herzen, im Einklang mit den Zukunftszielen der Stadt, einen Raum zu schaffen, der mehr Nutzen aufweist, als nur eine herkömmliche infrastrukturelle Verbindung. Amsterdam setzt sich schon lange für eine hochwertige, d.h. gebaute Fußgänger- und Radfahrer-Verbindung zwischen Amsterdam Nord und Amsterdam Centrum ein. Bis zum heutigen Tag pendeln hier kleine, in Rushhours überlastete Fähren zwischen den Ufern. Zudem besteht auch ein sehr akuter Mangel an Wohnungsraum, was zu einer immer stärker voranschreitenden Expansion der Stadt und weiten Entfernungen führt.
Meine Untersuchungen haben ergeben, dass eine andere Herangehensweise viele Chancen mit sich bringt. „Living Bridge Amsterdam“ bildet soziale Infrastruktur und ermöglicht es, neue Qualitäten in Amsterdam einzubringen.

Wohngebiet, Parkanlage, Fahrrad- und Fußgängerbrücke: Die Idee der „Living Bridge Amsterdam“ ist alles in einem.
LK: Mit Ihrer Idee haben Sie ein Hybridkonzept erschaffen, das mehrere Funktionalitäten verbindet: Wohnen, Naherholung in Form von Parks und Mobilität für Fahrräder. Ist das ein Ansatz, der auch für andere Städte übertragbar ist?
DPB: Ja, dieser Ansatz ist sowohl auf andere Städte als auch Maßstäbe (u.a. Gebäude) leicht übertragbar. Obwohl jeder Entwurf ortsspezifisch und im gegebenen Kontext erarbeitet werden muss, können der Grundgedanke und die Denkweise die gleiche sein. So können neue und spannende Gebäudetypen, Formen und Qualitäten entstehen, die es uns ermöglichen, Raum effektiver zu nutzen.

Für die Zukunft ist es laut Bernatek wichtig, Wert auf intelligente Raumkonzepte und das Doppelphänomen von Öffentlich und Privat zu legen.
LK: Mit Ihrem Entwurf begegnen Sie vielen Problemen, die schnell wachsende Städte heute haben. Was sind Ihrer Ansicht nach künftig die wichtigsten Herausforderungen?
DPB: Während sich Städte verdichten und mit Baumasse füllen, ist es von großer Bedeutung, besonderen Wert auf intelligente Raumkonzepte und das Doppelphänomen von Öffentlich und Privat zu legen. Menschen sollen sich nicht nur in ihrer Wohnung zu Hause fühlen, sondern auch außerhalb des Gebäudes – in der Stadt an sich! Traditionelle Verdichtungsentwicklungen tendieren dazu, schlecht zwischen sozialen, ökologischen und finanziellen Aspekten zu navigieren. Dabei gehen diese drei Aspekte Hand in Hand! Wir müssen Programme effizienter kombinieren, unsere Dächer intelligenter gestalten und mehr Natur bieten! Architektur braucht immer eine Vision.

Der Architekt Dominik Philipp Bernátek. Die Anfänge nahm das Projekt im Rahmen seiner Masterarbeit. Als Auszeichnung für diese gewann der damalige Student unter anderem eine Fortbildung zum DGNB Registered Professional, die er 2019 erfolgreich absolvierte. Seither wurde das Projekt umfangreich weiterentwickelt.
Prognosen zeigen, dass die Einwohnerzahlen von Metropolen und Städten binnen weniger Jahrzehnte steil ansteigen werden. Architekten und Standplaner werden den neuen Raum stark prägen. Es handelt sich um eine der wichtigsten Herausforderungen der Zukunft, diesen Raum sinngemäß und intelligent zu gestalten. Werden Vororte von großen Städten bis ins Unermessliche wachsen? Was ist die Mobilität der Zukunft? Wie integrieren wir Natur und öffentlichen Raum in dicht besiedelten Städten?
LK: Was macht für Sie die Architektur der Zukunft aus?
DPB: Abgesehen von den gut bekannten und sehr wichtigen Faktoren wie die ganzheitliche Betrachtung anhand der Lebenszyklen von Materialien und Gebäuden, finde ich Nutzerzufriedenheit und Raumqualität besonders wichtig. Wie an dem vorgestellten Projekt erläutert, kann durch neue und kreative Denkweise nicht nur der herkömmliche Bedarf gedeckt werden, sondern auch eine erhöhte Raumnutzung erzielt, finanzieller Profit und soziale Aspekte gesteigert werden.
Mehr zum Thema nachhaltiger Stadtentwicklung lesen Sie hier.