Moderne Städte sind oft zu laut. Das liegt nicht nur am Straßenverkehr und Fluglärm, sondern auch an dem Reflexionsverhalten von Gebäuden. Nachhaltig geplante Fassaden können hier Abhilfe schaffen. Ein Frankfurter Professor beschäftigt sich seit sechs Jahren mit dem Thema und fordert ein Umdenken.
Dass Lärm krank macht, weiß die Gesundheitsforschung schon lange. Das deutsche Umweltbundesamt zählt chronischen Lärmstress zu den wichtigsten Auslösern von Zivilisationskrankheiten. Gegen Lärm in Gebäuden, Büros und Wohnungen, helfen zahlreiche Schutzsysteme wie Dämmpaneele oder eine entsprechende Raumausstattung. Doch die Steuerung von Lärmkulissen ist auch für den öffentlichen Raum in hohem Maß relevant und spielt für die Bauwirtschaft und den Immobiliensektor eine wichtige Rolle.
Umgebungslärm wirkt sich direkt auf Mietpreise und damit die soziale Durchmischung eines Stadtteils aus. Ist ein kritischer Lärmpegel überschritten, führt dies häufig zu Wertminderung einer Immobilie und damit zu unmittelbaren wirtschaftlichen Schäden.
Doch wie können Architekten und Planer den ständigen Geräuschpegel in Städten reduzieren? Oder in Wohngebieten unweit von Bahnanlagen und Flughäfen?
Forschung zur Lärmreduktion
„Leisere Innenstädte sind möglich durch eine gezielte Implementation von akustisch wirksamen Fassaden in Bauprojekten“, sagt Prof. Dr. Holger Techen von der Frankfurt University Of Applied Sciences. Dass z. B. Oberflächenmaterialien oder bauliche Anordnung einen Einfluss auf die Lärmausbreitung haben, ist zwar bekannt und wird bereits gelehrt. Wie das Reflexionsverhalten von Fassaden jedoch in komplexen Stadtsituationen funktioniert, ist schwer zu operationalisieren. Bis jetzt existieren hauptsächlich zweidimensionale Simulationen für Gebäude von bis zu acht Stockwerken. Techen und sein Team hingegen testeten fünf mobile Fassadenstrukturen an acht Orten Frankfurts, auch für höhere Gebäude.
„Faltungen, Verwerfungen und Strukturunterschiede – all das wirkt sich signifikant auf das akustische Reflexionsverhalten einer Fassade aus“, sagt Techen nach der Auswertung. Damit können bis zu 4 dB(A) Reduktion erreicht werden. Die perfekte lärmmindernde Fassade ist grundsätzlich für den individuellen Ort zu entwerfen und nutzt Texturen oder Strukturen. Da die Ein- und Austrittswinkel von Schall entscheidend sind, lassen sich auch Volumen, Kubatur und Himmelsrichtung von Gebäuden optimieren, insbesondere in Bezug auf eine konkrete Lärmquelle, z. B. ein Flughafen.

Straßen, Fassaden und Strukturen: Lärmausbreitung in Städten unterliegt komplexen Voraussetzungen. © shiohira – Fotolia.com
Individuelle Prozesse für nachhaltig geplante Fassaden
Da die Nachbarbebauung exorbitant wichtig ist, will Techen jedoch keine Standardvorgaben für nachhaltig geplante Fassaden machen. Stattdessen schlägt er einen individualisierten Prozess vor: „In Zukunft sollten Planungsteams anfangs ein akustisches Profil des Ortes erstellen und schon beim Entwerfen dem Gebäude die Lärmreduzierung mit einschreiben“.
Eine Möglichkeit, lärmoptimierte Fassadenplanung zu fördern, sind Gebäudezertifizierungen, die diese Qualitäten belohnen. Unser Leiter des Bereichs Zertifizierung, Dr. Stephan Anders, interessiert sich sehr für Techens Forschung: „Im DGNB System für Quartiere werden die Effekte von Maßnahmen an den Fassaden schon gemessen. So bewerten wir den Lärm an einem zentralen öffentlichen Freiraum. Im Fall von Gebäuden betrachten wir den Schallschutz im Gebäude und das Lärmpotenzial von Einzelgeräten. Es wäre spannend, diese Bereiche in Zukunft noch zu stärken.“
Potenzial für alle Beteiligten
Techen sieht für das Thema aber auch großes Potenzial in der gesamten Branche und bei allen beteiligten Akteuren: „Architekten, Verwaltung und politische Entscheider müssen sich des Themas annehmen. Während der intensiven aktuellen Bautätigkeit und der Nachverdichtung unserer Städte kann so bereits bei der Planung eine nachhaltige Stadtgestaltung garantiert werden.“
Prof. Techens Publikation, inklusive Statistiken und Grafiken, kann hier heruntergeladen werden.