Zwei Monate ist es jetzt her, dass wir dem generalsanierten und aufgestockten Wohnhochhaus in der Güterstraße in Pforzheim den DGNB Preis „Nachhaltiges Bauen“ verliehen haben. Nach dem Deutschen Architekturpreis 2015 die zweite bedeutende Auszeichnung für das Vorzeigeprojekt, zu dem sich ganz aktuell mit dem gestern verliehenen Staatspreis Baukultur Baden-Württemberg noch ein weitere hinzu gesellt. Wir sprachen mit Lothar Hein vom Bauherrn, der Pforzheimer Bau und Grund GmbH, über die zahlreichen Erfolgsgeheimnisse hinter dem Erfolgsobjekt.
Felix Jansen (FJ): Hallo Herr Hein, herzlichen Glückwunsch! Mit Ihrem generalsanierten und aufgestockten Wohnhochhaus in Pforzheim haben Sie kürzlich den DGNB Preis „Nachhaltiges Bauen“ gewonnen – ein Preis, der Gebäude auszeichnet, die Innovation, Ästhetik und Nachhaltigkeit miteinander in Einklang bringen. Was, denken Sie, macht Ihr Projekt zu einem Gewinnerprojekt?

Lothar Hein bei der Preisverleihung mit Stefan Schulze-Hausmann (Stiftung Deutscher nachhaltigkeitspreis) | Quelle: DGNB
Lothar Hein (LH): Vielen Dank. Was unser Projekt zu einem Gewinnerprojekt macht, sollten natürlich in erster Linie andere beurteilen. Was mich freut ist, dass mit dem DGNB Preis unser Mut belohnt wurde, die Dinge auch einmal anders anzugehen und umzusetzen. Das Gebäude mit all seinen bauspezifischen Komponenten, wie der gebäudeeigenen Windturbine, der vorgesetzten Fassade und den darin integrierten Kollektoren sowie der Aufstockung um eine Etage, stößt auf sehr viel positive Resonanz. Insofern scheinen wir einiges richtig gemacht zu haben.
Vielleicht noch wichtiger ist aber, dass wir eine beispielhafte Antwort auf eine Frage geben, die sich viele Kommunen und Wohnungsbaugenossenschaften bereits seit einiger Zeit stellen: Wie gehen wir mit unserem sanierungsbedürftigen innerstädtischen Gebäudebestand sinnvoll um? Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Klimaschutzziele und der damit verbundenen Anforderungen.
FJ: Sie haben das Objekt in bewohntem Zustand saniert. Wie war das möglich und wie haben die Bewohner darauf reagiert?
LH: Das war natürlich eine Herausforderung, da eine solch umfangreiche Sanierung mit einigen Einschränkungen für die Bauzeit verbunden ist. Überzeugungsarbeit war da an der einen oder anderen Stelle schon nötig. Besonders wenn man sich die Mieterstruktur mit einem recht großen Anteil an Rentnern vor Augen hält. Im Gegensatz zu Berufstätigen bekommen sie den Baulärm noch viel stärker über den Tag verteilt mit. Neben der obligatorischen Mietminderung für die gesamte Bauzeit haben wir versucht mit kleinen Maßnahmen hier positiv einzuwirken. Zum Beispiel mit Gutscheinen für eine Kantine in unmittelbarer Nähe, sodass die Bewohner auch tagsüber zusätzliche Ruhezeiten bekommen haben. Zudem haben wir uns entschlossen, samstags überhaupt nicht zu bauen. Letztlich haben aber mit wenigen Ausnahmen die meisten Mieter die Sanierungsmaßnahmen sehr begrüßt.
Heute freuen sie sich über das Ergebnis – dass zum Beispiel die Elektro-Nachtspeicheröfen weg sind und dass es in den Wohnungen verblüffend ruhig ist. Man darf nicht vergessen, dass das Gebäude unmittelbar in Bahnhofsnähe an den Gleisen steht. Durch die neuen Fenster gab es riesige Verbesserungen beim akustischen Komfort.
FJ: Wie hat sich die Sanierung auf die Mietpreise ausgewirkt? Handelt es sich noch um den viel zitierten bezahlbaren Wohnraum? Oder anders gefragt: Braucht es bei solch generalsanierten Objekten nicht eigentlich eine andere Betrachtungsweise auf die Mieten? Schließlich fallen die Einsparungen für die Bewohner ja erst bei der Warmmiete ins Gewicht.

Ein Highlight des Projekts: Die sonnendurchfluteten Penthouse-Wohnungen nach der Aufstockung | Quelle: Dietmar Strauß
LH: Richtig, eine erweiterte Betrachtung der Mietkosten im Sinne der Warmmiete ist absolut sinnvoll, denn es dokumentiert den Hebel, den eine solche energetische Sanierung mit sich bringen kann. Um das transparent zu machen, dokumentieren wir auch in den nächsten Jahren ganz genau, welche Einsparungen letztlich erzielt wurden. In dieser Betrachtungsweise kann und muss man sagen: Die Mieter profitieren auch finanziell unmittelbar von den Sanierungsmaßnahmen. Trotz leicht gestiegener Mietkosten – von 4,80 Euro bis 5,50 pro Quadratmeter auf jetzt 6,40 Euro – zahlen sie durch die Einsparungen bei der Warmmiete insgesamt nicht mehr. In den neu errichteten Penthouse-Wohnungen liegt die Kaltmiete bei 11 Euro pro Quadratmeter, was für eine Neubauwohnung mit dieser atemberaubenden Aussicht über Pforzheim absolut angemessen ist.
FJ: Wie ist das Gebäude im Quartier und im städtebaulichen Umfeld in Pforzheim eingebunden? Ist es ein Leuchtturmprojekt? Und wenn ja, welche Lehren ziehen andere aus Ihrem Vorbild?
LH: Das Projekt war tatsächlich als Leuchtturmprojekt im Rahmen des integrierten Klimaschutzkonzeptes „Pforzheim sonnenklar“ der Stadt Pforzheim geplant und umgesetzt. Doch nicht nur bei diesem, sondern auch bei anderen Projekten, die wir bei der Pforzheimer Bau und Grund umsetzen, ist uns das Vorbildhafte sehr wichtig. Wir wollen etwas bewirken. Das geht am besten, wenn man selbst Erfahrungswissen aufbaut mit Blick auf die ganzheitliche energetische Lösung für einzelne Gebäude. Bei dem ausgezeichneten Projekt an der Güterstraße haben wir ja viele Module, wie einen eigenen Windrotor, PV-Anlagen auf dem Dach, einbetonierte Fassadenkollektoren, eine Wärmepumpe und einen Eisspeicher, miteinander kombiniert. Grundsätzlich denke ich, dass man mit dem hier angewandten System innerstädtisch viele Gebäude sanieren kann.
Dass auch andere das so sehen oder zumindest sich etwas abschauen wollen, zeigt neben den Preisen, die wir gewonnen haben, auch das immense Interesse aus der Fachöffentlichkeit. Außer den vielen öffentlichen Besichtigungen hatten wir zum Beispiel eine Delegation aus Dubai da, die sich alles genau angeschaut hat. Wieviel davon letztlich in die Praxis kommt, sehen wir dann in den nächsten Jahren.
FJ: Ich hoffe, dass sich viele an Ihnen ein Beispiel nehmen, und danke Ihnen für das Gespräch.