Impuls, Klimaschutz
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Ein wichtiger Anfang: Photovoltaik-Pflicht in Baden-Württemberg

Rathaus Freiburg Dachflächen PV

Produktionshallen, Supermärkte oder Bürogebäude – alle Nicht-Wohngebäude, die ab 2022 in Baden-Württemberg eine Baugenehmigung beantragen, müssen auf der für eine Solarnutzung geeigneten Dachfläche Photovoltaik-Anlagen (PV) installieren. Darauf hat sich die Landesregierung geeinigt. Die DGNB begrüßt diesen Schritt in die richtige Richtung. Um die Klimaschutzziele 2050 zu erreichen, müssen alle Hebel in Bewegung gesetzt werden. Dazu gehört die Nutzung von Solarenergie − und viele weitere.  

Seit 2013 hat Baden-Württemberg ein eigenes Klimaschutzgesetz. Ende Mai 2020 hat sich die grün-schwarze Koalition auf die Kernthemen einer Novelle geeinigt. Am 28. Juli hat das Kabinett den Gesetzesentwurf beschlossen und bringt ihn im Herbst in den Landtag ein. Die Solar-Pflicht für Nicht-Wohngebäude ist dabei ein zentraler Bestandteil. Wenn wir über solche konkreten Maßnahmen sprechen, ist es wichtig, sie im Kontext Klimaschutz einzuordnen. Zwei wesentliche Aspekte:

1. Klimaschutz heißt CO2 sparen – und zwar im großen Stil

Die Bundesregierung verfolgt das Ziel der Klimaneutralität bis 2050. Dafür müssen alle Sektoren wie Energie, Verkehr, Gebäude, Industrie und Handel in den nächsten Jahren vor allem massiv CO2 -Emissionen reduzieren. Bis 2020 sollte der Ausstoß im Vergleich zu 1990 um mindestens 40 Prozent gesenkt werden. Dieses Ziel wurde nicht erreicht. Bis 2030 sind es mindestens 55 Prozent. Auch das Land Baden-Württemberg hat sein Ziel bis 2020 nicht erreicht. Im neuen Klimaschutzgesetz will sich die Landesregierung auf mindestens 42 Prozent Reduktion bis 2030 festschreiben. Das ist ein absolutes Mindestmaß.

2. Beim „CO2 sparen“ kommt Gebäuden eine Schlüsselrolle zu

Für Gebäude gilt bundesweit die Senkung der CO2-Emissionen um 66 bis 67 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 1990. Auch wenn dies ebenfalls eine absolute Mindestzahl sein muss, ist dieses Ziel zugleich sehr ambitioniert. Um den CO2-Ausstoß von Gebäuden systematisch zu reduzieren, müssen wir wirklich alle Register ziehen – und viel mehr tun, als momentan gesetzlich vorgegeben. Die Gewinnung erneuerbarer Energien z.B. durch Photovoltaik ist ein wichtiger Hebel.

Aktiv Stadthaus Frankfurt

Leuchtturm der innerstädtischen solaren Energiegewinnung: Das Aktiv-Stadthaus Frankfurt nutzt Dach- und Fassadenflächen für Photovoltaik © Herbert Kratzel

Sonnenenergie: Ein bedeutendes Zahnrad im Klimaschutz

Ebikon Hauptsitz

Parkplatzflächen sinnvoll genutzt: PV-Überdachung © megasol

Dass Baden-Württemberg Solaranlagen für Nicht-Wohngebäude und Parkplätze verpflichtend einführen will, ist also ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung! Die Stromerzeugung auf (Dach-) Flächen und größeren Parkplatzflächen ist eine wertvolle Maßnahme, um klimapositive Gebäude und Standorte zu errichten, die mindestens klimaneutral sind, im Idealfall also mehr CO2 über Stromeinspeisung ins Netz einsparen, als sie emittieren.

Wichtiger Baustein für Gemeinden: Kommunale Wärmeplanung

Natürlich reicht Photovoltaik allein nicht aus, um das CO2-Emissionsproblem zu lösen. Dafür reicht ein Blick in die Innenstädte, wo im Verhältnis nicht genug Flächen zur Verfügung stehen oder baukulturelle Gründe keine PV-Anlage zulassen. Hier geht es darum, individuelle und ganzheitliche Lösungen auf kommunaler Ebene auszuarbeiten. Es ist deshalb ebenfalls zu begrüßen, dass die Landesregierung Kreisstädte und Landkreise zu einer kommunalen Wärmeplanung verpflichten will, mit dem Ziel der klimaneutralen Wärmeversorgung bis 2050.

Darauf kommt es an: Drei Anmerkungen zum Gesetz

  1. PV rechnet sich auch für Wohngebäude: Dass die Pflicht nur für den Neubau von Nicht-Wohngebäuden gilt, ist nicht nachvollziehbar. Gerade für Wohn-Neubauten rechnet sich in der Regel eine PV-Anlage. Weniger Zukauf von Strom und die Einspeisevergütung sorgen für eine verlässliche Planung und eine Amortisation der anfänglichen Mehrkosten innerhalb weniger Jahre.
  2. Die Prozentzahl ist entscheidend: Bei den betroffenen Neubauten kommt es letztlich auf die verpflichtende Prozentzahl der mit Photovoltaik belegten Dachflächen an.

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  3. Nicht zu vergessen – die meisten Gebäude sind schon da: Auch wenn das Gesetz zu begrüßen ist, bleibt eine Sache zu betonen: Selbst wenn alle Neubauten bis 2050 klimaneutral gebaut wären, würden wir die 2050-Ziele nicht schaffen: Der Schlüssel liegt im Gebäudebestand. Zwar spielt PV hier ebenfalls eine bedeutende Rolle, allerdings wäre eine gesetzliche Verpflichtung zu dieser Einzelmaßnahme nicht sinnvoll. Vielmehr braucht es einen individuellen Klimaschutzfahrplan, der die zentralen Handlungsfelder zur Dekarbonisierung so aufeinander abstimmt, dass das Gebäude bis 2050 systematisch kostenoptimiert in die Klimaneutralität geführt wird.

    Fünf Handlungsfelder auf dem Weg zum klimaneutralen Betrieb

    Fünf Handlungsfelder auf dem Weg zum klimaneutralen Betrieb.

Fazit: ein erster Schritt für viele weitere

Wir brauchen die Transformation der Gebäude vom Konsumenten zum Produzenten erneuerbarer Energie, um die die Klimaschutzziele im Gebäudesektor zu erreichen. Deshalb ist PV so wichtig und wird auch in der DGNB Zertifizierung positiv bewertet. Und deshalb sind gesetzliche Regelungen wie die aufgeführte von großer Bedeutung − und motivieren hoffentlich zu weiteren Maßnahmen. Für die Zukunft setze ich darauf, dass die Potenziale der Solarenergie weiter ausgeschöpft werden und auch die positive Wahrnehmung der PV-Anlagen steigt – durch innovatives Design und bauwerkintegrierte Photovoltaik sowie ökonomische Lösungen.

Kategorie: Impuls, Klimaschutz

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Johannes Kreißig zählt zu den Pionieren des Nachhaltigen Bauens in Deutschland. Als einer der Initiatoren war er an der Gründung der DGNB 2007 maßgeblich beteiligt und ununterbrochen Mitglied im Präsidium. Seit 2016 arbeitet er als Geschäftsführer der DGNB GmbH und verantwortet die Bereiche System, Akademie und Navigator. Zuvor war Kreißig als Director Business Development bei der thinkstep AG, vormals PE International, tätig. Zudem engagierte er sich in zahlreichen Gremien wie dem World Green Building Council.

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