DGNB, Diskurs
Kommentare 3

Recycling, aber nicht um jeden Preis

In Deutschland werden ein Viertel aller Kunststoffe im Bau verwendet. Sie kommen als Fußboden, Dämmmaterial, Dachabdichtungsbahnen, Fensterrahmen oder als Rohre zum Einsatz. Schon bevor die EU-Kommission an einer Kunststoffstrategie gearbeitet hat, war klar, dass sich im Umgang mit Kunststoff etwas ändern muss. Ist Recycling dabei das Allerheilmittel? So einfach ist es nicht.

Verlässt man sich darauf, Produkte schon irgendwie recyceln zu können, vergibt man heute Chancen und verschiebt die Probleme lediglich in die Zukunft. Grundsätzlich können viele Kunststoffe wiederverwertet werden. Inwieweit dies erfolgen kann, hängt jedoch stark von der Kunststoffart und anderen Faktoren ab.

Selbst gute, im einzelnen recyclingfähige Materialien können beim Sprung vom Einzelprodukt hin zum im Gebäude verbauten Produkt zu Sondermüll werden. Um Bauteile und Bauwerke zu erstellen, werden verschiedene Materialien häufig großflächig miteinander verklebt. Sind diese nicht aufeinander abgestimmt, lassen sie sich nicht wiederverwerten.

Rund 10 Millionen Tonnen Kunststoff werden in Deutschland jährlich verbraucht. Ein Drittel davon wird zu Verpackungen. Ein vergleichbarer Anteil landet auf dem Bau.

Hinzu kommt: Es gibt eine Vielzahl von weiteren Inhaltsstoffen, die die europäische REACH-Verordnung in neuen Produkten nicht mehr erlaubt oder beschränkt. Sind diese heute in Gebäuden verbaut, dürfen sie später nach unserem Verständnis nicht einfach in den Gebäudebestand „zurück“ recycelt werden.

Das Beispiel Asbest zeigt, welche Probleme für Mensch und Umwelt man sich ins Gebäude mit früher erlaubten, heute verbotenen Bauprodukten einbauen kann. Ein anderes Beispiel ist das Flammschutzmittel HBCD. Recyclingansätze des damit behandelten Polystyrols aus dem Gebäudebereich sind heute quasi nicht mehr möglich.

Reine Stoffströme

Wir müssen genau hinschauen. Wer recycelt, nur um des Recyclings Willen, der kann mit diesem Aktionismus dafür sorgen, dass Stoffströme weiter und weiter verunreinigt werden. Wir sollten uns fragen: Können aus Baustoffen am Ende ihrer Lebensdauer wieder hochwertige, neue Produkte erstellt werden? Dies gelingt, wenn möglichste reine, und damit für ein Recycling geeignete Materialien verwendet werden.

Um ein neues Produkt herzustellen, wird häufig ein erheblicher Aufwand betrieben. Dabei sollte die Strategie sein:

  1. Recyclingfähigkeit der eingesetzten Stoffe erreichen
  2. Trennbarkeit sicherstellen
  3. Stoffströme so rein wie möglich und schadstofffrei halten

Damit lassen sich möglichst viele Recyclingzyklen mit angemessenem Aufwand ermöglichen. Darauf muss schon bei der Produktentwicklung geachtet werden.

Es braucht einen Qualitätssprung

Deshalb brauchen wir eine bewusste und zukunftsorientierte Produktentwicklung. Wir brauchen Konstruktionsprinzipien, die auf Umbau und Rückbau ausgelegt sind. Wir brauchen ein grundsätzliches Umdenken: Weg von einem reaktiven Umgang mit Problemen, hin zu einem aktiven Gestalten guter und unschädlicher Baustoffe.

Was geschieht mit dem Gesammelten?

Dies ist einer der Grundsätze der DGNB. Über unser Zertifizierungssystem motivieren und fördern wir dieses Denken und geben höhere Qualitätsniveaus bei der Auswahl von Bauprodukten, deren Umweltwirkungen und deren Rückbau vor. Damit können wir heute Gebäude realisieren, die für den Menschen und die Umwelt gesund sind – von der Herstellung über die Verarbeitung bis zur Nutzung und zum Rückbau.

Kategorie: DGNB, Diskurs

von

Anna Braune studierte Technischer Umweltschutz an der Technischen Universität Berlin und schrieb ihre Diplomarbeit über Ökobilanzen von Abwasseranlagen in Zusammenarbeit mit der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (Schweiz). Sie arbeitete für verschiedene Beratungsunternehmen im Bereich Nachhaltigkeit und Gebäudetechnik. Von 2004 bis 2007 war sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Stuttgart, am Lehrstuhl für Bauphysik, Abteilung Ganzheitliche Bilanzierung, tätig. Sie war Initiatorin und bis Ende 2008 die Gründungs-Geschäftsführerin der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB). Danach arbeitete sie beim Nachhaltigkeits-Beratungs- und Softwareunternehmen PE International, umbenannt seit 2014 in thinkstep. Als Principal Consultant war sie verantwortlich für das Team “Nachhaltiges Bauen” des Beratungsbereichs. Seit September 2015 arbeitet Anna Braune wieder für die DGNB, als Leiterin Forschung und Entwicklung.

Diesen Artikel drucken

3 Kommentare

  1. Stefan Oehler sagt

    „The great pacific garbage patch“
    ist ein „faszinierendes“ Naturspektakel. Es handelt sich um einen gigantischen Strudel im Pazifik, der 100 Mio. to (Hundert Millionen Tonnen) Kunststoffmüll dort rotieren lässt. Eine kalifornische Firma will nun mit einem gigantischen Staubsauer wenigstens einen Teil davon aus dem Meer fischen.

  2. Tja, die Recyclingfähigkeit der Baustoffe ist für mich vom Interesse. Anstelle unseres alten Gartenhauses, welches geerbt wurde, soll ein Pool kommen. Mit der Trennbarkeit der Stoffe bleibt ja die Frage offen. Den Abriss leistet ein Minibagger. Manual die Stoffe zu trennen, fällt ja nicht leicht. Welche Materialien sind dann beim Bau vom Pool für ein Recycling geeignet? Dankbar für den Tipp!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert