Einmal im Jahr veröffentlicht der Bund der Steuerzahler Deutschland e.V. (BdSt) mit seinem Schwarzbuch Beispiele für die „öffentliche Verschwendung“ von Steuergeldern. In der aktuellen Ausgabe wird eine DGNB Zertifizierung unter der Überschrift „Teure Imagepflege“ als ein solches Beispiel genannt. Da fragen wir uns: Sind die Auswahl- und Recherchemethoden der Autoren wirklich fundiert? Zeigt es in dem Fall zumindest, dass dort geurteilt wurde, ohne das Thema selbst in der notwendigen Tiefe verstanden zu haben. Deshalb hier im Blog in der gebotenen Kürze die wichtigsten Gründe, warum sich eine Zertifizierung in vielerlei Hinsicht rechnet.
Nochmals zum Hintergrund: In dem besagten Artikel geht es um das neue Rathaus in Elmshorn, das sich noch vor der Detailplanung entschlossen hat, eine DGNB Zertifizierung in Gold anzustreben. Konkret lautet die Kritik: „Die Kriterien für nachhaltiges Bauen sind bekannt. Sie können auch ohne Zertifizierung erfüllt werden. Statt Auditoren zu bezahlen, sollte das Geld besser in die ökologische Ausstattung gesteckt werden.“
Warum dies zu kurz gedacht ist, zeigen folgende fünf Punkte.
Fakt 1: Nachhaltiges Bauen ist mehr als eine Ansammlung von Kriterien
Ein nachhaltiges Gebäude ist mehr als die Summe seiner einzelnen (Bau-)Teile. Der DGNB geht es darum, die Performance einer Immobilie zu optimieren mit Mehrwerten für Mensch, Umwelt und Wirtschaftlichkeit gleichermaßen. Dies funktioniert nur, wenn man Ziele definiert und von diesen ausgehend versucht, wirkungsorientiert zu planen und die für das Projekt richtigen Entscheidungen zu treffen. Dabei dienen die Kriterien innerhalb der Zertifizierung als Orientierung, als qualitätssichernde Aspekte. Ihr Zusammenspiel, der Umgang mit den Zielkonflikten zwischen ökologischen, ökonomischen und soziokulturellen Aspekten aber ist es, in dem die größte Herausforderung liegt. Ob Mehrkosten für eine „ökologische Ausstattung“ (was auch immer das sein soll), wie von dem BdSt gefordert, notwendig sind, ist daher überhaupt nicht gesagt. Eher im Gegenteil: Nachhaltig zu bauen ist nicht teurer, sondern anders. Die etwas höhere Planungsleistung zahlt sich in der Regel durch weniger Nachträge, höhere Qualität und eine bessere Performance des Gebäudes sehr schnell aus.
Fakt 2: Nachhaltiges Bauen braucht Experten mit Erfahrung
Genau aus den genannten Gründen, braucht es letztlich Fachexpertise für die Planung und Umsetzung einer nachhaltigen Bauweise. Es benötigt Menschen, die verstehen, wie die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Kriterien im Kontext des komplexen Konstrukts „Bauen“ funktionieren. Experten, die über alle Planungs- und Bauphasen den Überblick behalten, um die Qualität von Anfang bis Ende hoch zu halten. Oder anders formuliert: Es braucht ausgebildete Auditoren oder Consultants, die verstehen, an welchen Stellschrauben man drehen muss, um ein Gebäude ganzheitlich besser zu machen.
Fakt 3: Je später Fehler erkannt werden, umso teurer wird es
Das „von Anfang an“ aus dem vorherigen Fakt ist noch aus einem weiteren Grund elementar wichtig. Je früher ich mich in einem Projekt mit den vielfältigen Aspekten der Nachhaltigkeit beschäftige und beispielsweise über Variantenrechnungen die richtigen Entscheidungen für meine individuellen Anforderungen treffe, umso mehr Kosten vermeide ich für kostspielige nachträgliche Korrekturen, Um- oder Nachrüstungen. Eine Zertifizierung dient hier als Planungs- und Optimierungstool zur durchgängigen und ganzheitlichen Qualitätssicherung.

Beeinflussbarkeit der Planung bei einer DGNB Zertifizierung im Projektverlauf
Fakten 4: Unabhängige Prüfung schafft Transparenz und Vertrauen
Insbesondere für Projekte, bei denen öffentliche Gelder zum Einsatz kommen, muss es darüber hinaus doch zusätzlich um Transparenz gehen. Wer will denn nachprüfen, ob das Bauvorhaben wirklich nachhaltig in allen Details realisiert wurde, wenn es keine unabhängige Prüfung des Ergebnisses gibt? In Zeiten von Dieselskandal und Co. kann der Weg der Selbstdeklaration sicher nicht der Königsweg sein. Gerade im Bauen ist es ein zentrales Problem, dass es keine neutrale Qualitätssicherung gibt und wir stattdessen mit abstrakten statistischen Zahlen konfrontiert werden, was z.B. das Potenzial der Energieverbräuche angeht.
Wenn man dann das Gebäude noch mit anderen in der umgesetzten Qualität vergleichen kann, hat die Öffentlichkeit sicher auch nichts dagegen. Die umfassende Dokumentation funktioniert für eine transparente, vertrauensbildende Kommunikation, die auch dadurch für jedermann nachvollziehbar wird, weil die Kriterien der DGNB Zertifizierung kostenlos öffentlich verfügbar sind. Zudem ist die Dokumentation die Grundlage für einen nachhaltigen Betrieb und damit unverzichtbar. Die Tatsache, dass der Betrieb letztlich aus einem anderen Budget bezahlt wird, sollte in keinem Fall dazu führen, dass man sich diese Grundlage spart. Erst recht, wenn man sich über die Verantwortung bewusst wird, dass Gebäude einen elementaren Beitrag zum Klimaschutz leisten können – nicht nur beim Bau, sondern gerade in den vielen Jahren, in denen sie genutzt werden.
Fakt 5: Ein Zertifikat stärkt das Image – aber was ist schlimm daran?
Ein DGNB Zertifikat erhält man nicht eben mal so nebenher. Es ist das Ergebnis einer umfassenden Auseinandersetzung mit den baulichen Nachhaltigkeitsanforderungen an ein Projekt. Und dass man sich am Ende über das Geleistete freut und öffentlich kommuniziert, ist doch nicht verwerflich, sondern der Lohn für eine intensive Zusammenarbeit einer Vielzahl von Akteuren. Immer mehr potenzielle Mieter oder Investoren fragen mittlerweile aktiv nach zertifizierten Gebäuden und machen dies zur Auflage, um sich an einem Standort niederzulassen bzw. in diesen zu investieren. Dass eine Kleinstadt wie Elmshorn hier den Marktanforderungen entspricht und gleichzeitig noch Mehrwerte für die Menschen vor Ort schafft, ist nicht verschwenderisch, sondern weitsichtig. Und es ist ein Zeichen, dass es die Gemeinde ernst meint in puncto Klimaschutz und Nachhaltigkeit.
Wer publiziert, trägt Verantwortung
Zusammenfassend möchten wir nochmal betonen, dass es uns mit diesem Beitrag nicht darum geht, den BdSt negativ darzustellen. Auch wenn es schon irritierend ist, wenn sich zur Veröffentlichung des Schwarzbuches der Präsident des BdSt in seinem Schreiben an die DGNB für die „vertrauensvolle und gute Zusammenarbeit“ bedankt und „weiterhin viel Erfolg“ wünscht.
Uns geht es darum, die sich hartnäckig haltenden Vorbehalte gegenüber dem nachhaltigen Bauen und der dazugehörigen Zertifizierung abzubauen. Zudem sollte sich in Zeiten von Social Media und Fake News jeder, der selbst veröffentlicht, über seine Verantwortung bewusst sein, dass nicht jeder Leser die Möglichkeit hat, Fakten selbst kritisch zu hinterfragen. In diesem Sinn freuen wir uns ebenso auf eine vertrauensvolle und gute Zusammenarbeit in der Zukunft.