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Smart City: Chance, aber kein Selbstläufer

Immer mehr Informations- und Kommunikationstechnologien und intelligente Systeme werden für die Stadtentwicklung nutzbar gemacht. Nur steckt in den vielfältigen Smart-City-Konzepten auch Potenzial für mehr Nachhaltigkeit? Welche Techniken helfen tatsächlich, den Alltag effizienter, umweltfreundlicher und komfortabler zu machen?

Nehmen wir die Antwort vorweg: Ja, viele der Lösungen, die sich unter dem Begriff „Smart City“ subsummieren lassen, bieten spannende Möglichkeiten. Selbstläufer sind sie jedoch nicht. Um die Potenziale zu bergen, muss viel Planung im Vorfeld geschehen. Als am 19. April in einem Seminar der DGNB Akademie darüber gesprochen wurde, ob Smart City der Motor für eine nachhaltige Entwicklung sein kann, wurden einige digitale Innovationen vorgestellt. Zwei davon: Das autonome Fahren und die intelligente Vernetzung von Fahrzeugen.

Viel Bewegung in der Mobilität

Ein Bereich, in dem enorme Veränderungen im Stadtbild zu erwarten sind, ist die Mobilität. Ein Stichwort autonomes Fahren. Sind die Autos miteinander vernetzt, können sie die Geschwindigkeit der aktuellen Verkehrslage anpassen. Der Verkehr wird flüssiger, scharfes Bremsen wird nicht nötig sein. Das spart Energie und ist vor allem sicherer.

Die andere Seite der Medaille: Wenn weiterhin jede Person ein eigenes Auto besitzt, wird das Problem der vollen Straßen nicht gelöst. Eine zukünftige Entwicklung kann sein, dass Pendler längere Strecken in Kauf nehmen, wenn sie im Auto arbeiten oder schlafen können. Dadurch vergrößert sich das Einzugsgebiet der Städte. Mehr Autos werden sich auf dem Weg in die Stadt machen. So mahnte Mobilitätsforscher Prof. Dr. Wolfgang Gruel im Rahmen des Seminars: „Wir sind dabei den Stau des 20. Jahrhunderts durch den Stau des 21. Jahrhunderts zu ersetzen.“

Mobilitätsforscher Prof. Dr. Wolfgang Gruel (Institute for Mobility and Digital Innovation)

Eine deutliche Reduzierung des Verkehrs lässt sich mit autonomen Fahrzeugen nur dann erreichen, wenn das Auto mehr ausgelastet ist. Wenn nicht Autos, sondern Sitzplätze geteilt werden. Es wird also darauf ankommen, die Mobilitätsangebote der Stadt weiter miteinander zu verknüpfen und die Auslastung zu optimieren. So lassen sich verfügbare Ressourcen effizienter nutzen, und jeder Stadtbewohner kann aus verschiedenen Anbietern seine persönliche Mobilitätslösung zusammenstellen.

Wenn die Städte dafür ein Konzept erarbeiten, wenn sie eine rechtliche Rahmung finden, mit der kein Anbieter um seine Existenz fürchten muss, kann dies eine Chance sein, die Entwicklung in die richtige Form zu lenken. Die Städte können jetzt die Weichen stellen, in welche Richtung uns die neuen Techniken führen werden. Zu mehr Nachhaltigkeit oder zu volleren Straßen.

Vernetzung vs. Datenschutz

Ein Vorteil der Digitalisierung ist, dass sich der Bedarf genau ermitteln lässt und dadurch Ressourcen eingespart werden können. Dazu braucht es Vernetzung. Vernetzung wiederum braucht den Zugang zu Daten – im Idealfall in Echtzeit.

Dies kann dabei helfen, intelligente Fahrbahnen zu steuern und Pufferzonen dem Platzbedarf anzupassen. Sie können – wenn beispielsweise mehr Fahrradfahrer unterwegs sind – eine breitere Fahrbahn für diese anzeigen. In Toronto befestigen Freiwillige an ihre Fahrräder Messgeräte. Diese messen während der Fahrt die Luftqualität und senden die Werte auf eine Live-Karte. Anhand der Daten können die Nutzer eine alternative, „gesündere“ Route wählen. Sind die Städte fahrradfreundlich, steigen mehr Menschen aufs Rad. Gesammelte Daten können daneben in eine smarte Parkuhr eingespeist werden. Diese zeigt freie Parkplätze an und hilft, CO₂-Austoß bei der Parkplatzsuche zu vermeiden.

Doch wo ist die Grenze zur Überwachung? Rio de Janeiro betreibt ein Operationszentrum, das Einblick in jede Ecke der Stadt hat. Dadurch kann die Stadt Ressourcen, Ereignisse und Störfalle überwachen und schnell regulierend eingreifen. Das hilft nicht nur in puncto Ressourceneffizienz. Es soll die Bürger, vor allem in Kriminalitätsbrennpunkten, besser schützen.

In der Vernetzung liegt unbestreitbar eine Chance. Um mehr Nachhaltigkeit zu erreichen, müssen wir jedoch bereit sein, unserer Daten in einem gewissen Umfang zu teilen. Doch ist eine großräumige Überwachung das, was wir uns wünschen? Welche Daten wollen wir von uns preisgeben? Wo fängt der Datenschutz an, wo hört er auf? Hier müssen Lösungen erarbeitet werden, sodass wir unsere Daten gleichzeitig schützen und teilen können.

Blick für das große Ganze

Die Digitalisierung wird die Städte verändern. Je früher sich die Städte und Gemeinden damit beschäftigen, desto besser sind sie für die Veränderungen gerüstet. Je weniger sie die Entwicklung als Bedrohung ansehen, desto eher können sie die Entwicklung positiv beeinflussen und entscheiden, wo es Sinn macht, regulierend einzugreifen. Wichtig ist, den Blick für das große Ganze nicht zu verlieren. Stets sollten sich die Verantwortlichen fragen, was sie mit der neuen Technik erreichen wollen. Und sich fragen, ob es die Lösung ist, die für die eigenen Bürger, die eigene Situation die sinnvollste ist. Und es dürfen die Menschen nicht ausgegrenzt werden, die keinen Zugang zu der digitalen Welt haben.

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