DGNB Jahreskongress 2023
Kommentare 1

Stadtleben, Gesundheit und Psyche: Welchen Einfluss haben Bauweise und Stadtgestaltung auf uns?

Frau auf Fahrrad in der Stadt

Unsere körperliche und seelische Gesundheit wird maßgeblich von unserer Umgebung mitgeprägt. Oft ohne, dass wir es bewusst wahrnehmen oder die Ursache dafür erkennen. Akteure der Bau- und Immobilienbranche tragen daher eine hohe Verantwortung, wenn es um die Gestaltung unserer städtischen Innen- und Außenräume geht. Wie unser Wohlbefinden durch äußere Einflüsse im Stadtleben beeinträchtigt wird und und welche Ansätze es gibt, dieses zu steigern, haben beim DGNB Jahreskongress Prof. Dr. Eckart von Hirschhausen (Gründer der Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen), Prof. Mazda Adli (Fliedner Klinik Berlin) und Rudi Scheuermann (Arup) erklärt.

BLOGSERIE ZUM DGNB JAHRESKONGRESS 2023 (TEIL 4)
Am 14. und 15. Februar fand der zweite digitale Jahreskongress der DGNB statt. In Impulsen und Gesprächsrunden wurden hier Entwicklungen zu vielfältigen Aspekten des nachhaltigen Bauens besprochen. Die Blogserie gibt einen Rückblick und fasst zentrale Botschaften zusammen. Im nächsten Beitrag stehen die Möglichkeiten eines Klimaschutz-Resets bei laufenden Projekten im Fokus.

 

Mit seinem Impulsvortrag „Gesunde Erde – Gesunde Menschen“ gab Prof. Dr. Eckart von Hirschhausen (Arzt, Wissenschaftsjournalist und Gründer der Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen) einen eindringlichen Einstieg ins Thema.

Ein gesunder Planet ist die Basis unserer Gesundheit

Eine seiner zentralen Botschaften: Menschliche Gesundheit brauche Lebensgrundlagen, die uns nur eine gesunde Erde bieten kann. „Wir brauchen Luft zum Atmen. Wir brauchen Wasser zum Trinken. Wir brauchen Pflanzen, die man essen kann. Wir brauchen erträgliche Temperaturen. Und wir brauchen ein Miteinander – wir sind soziale Wesen. All das ist gerade in Gefahr“, so von Hirschhausen.

Unter den größten zehn globalen Gesundheitsgefahren stehe die Luftverschmutzung und der Klimawandel an erster Stelle. Zwei Bereiche in denen auch der Bausektor großen Einfluss hat. Neue Ansätze müssen her.

Dauerhaft hohe Temperaturen machen uns krank

Man müsse verstehen, dass man auf unserer Erde nichts „wegwerfen“ kann – es verschwindet eben nicht einfach, hält von Hirschhausen noch einmal vor Augen. Genauso verhält es sich z.B. auch mit der Hitze. Mit Klimageräten transportieren wir die Wärme nur woanders hin und erzeugen durch ihren Betrieb wiederum mehr davon. Das erzeuge eine Dunst-Hitzeglocke über der Stadt. Und gerade hohe Temperaturen in Städten würden für uns Gesundheitsrisiken bergen, die durch alternative Bauweisen und Materialien verhindert werden können. Temperaturen von bis zu zehn Grad Celcius mehr als im angrenzenden Umland seien keine Seltenheit mehr.

Und wie reagieren Gebäude auf heiße Temperaturen? Was ist die logische Konsequenz aus zubetronierten und zuasphaltierten Flächen, einer engen Bebauung? Unsere Großstädte entwickeln sich zu sogenannten Hitzeinseln. Verbaute Materialien wie Beton, Stahl und Glas sind die Ursachen des Phänomens. Sie heizen sich auf, speichern die Wärme und geben diese an ihre Umgebung ab. Verschlossene Flächen bewirken, dass weniger Wasser im Boden gespeichert wird, das sonst verdunsten und für Abkühlung sorgen könnte. Eine enge Bebauung lässt kaum einen Luftzug zu. Die Wärme bleibt in der Stadt.

Die Folgen für uns seien laut von Hirschhausen: Schlechter Schlaf bei Temperaturen über 20 Grad Celsius in der Nacht, sinkende Produktivität bei der Arbeit, gesundheitliche Probleme. Unter der Hitze würden gerade ältere Menschen, Menschen mit Vorerkrankungen und Kinder besonders leiden.

„Wir haben eine Jahrhundert-Aufgabe vor der Nase, für die wir kein Jahrhundert mehr Zeit haben.“

Lösungen und Maßnahmen lägen auf der Hand: Begrünung von Gebäudehüllen. Mehr innerstädtische Begrünung und Bäume für mehr Verschattung. Helle Gebäudeoberflächen. Öffnen von versiegelten Flächen zur Regenwasser- statt Wärmespeicherung. Grünstreifen und unverbaute Bereiche schaffen und erhalten.

„Wir müssen ungewöhnliche Allianzen bilden, um diese Themen wirklich in der Dringlichkeit zu kommunizieren, in den Lösungen, die es gibt, und mit einer positiven Energie auch wieder Lust auf Zukunft zu machen“, lautet seine Einladung gemeinsam an der Eindämmung des Klimawandels zu arbeiten.

Impuls von Prof. Dr. Eckart von Hirschhausen beim DGNB Jahreskongress 2023

Die Keynote von Prof. Dr. Eckart von Hirschhausen können Sie hier in ganzer Länge ansehen.

Über mögliche Klimaanpassungsstrategien, das Prinzip der Schwammstadt und Lösungen gegen die Entstehung von Hitzeinseln wurde beim Jahreskongress auch an anderer Stelle diskutiert. Den Beitrag dazu lesen Sie hier.

Wie die gebaute Umgebung unsere Psyche beeinflusst

Mehr Grün in unserer Umgebung: Das hat unter anderem auch einen Einfluss auf unsere psychische Gesundheit, wie Prof. Mazda Adli (Psychiater und Stressforscher an der Fliedner Klinik Berlin) und Rudi Scheuermann (Director und Fellow von Arup) erklären.

Die Erkenntnisse von Adli zeigen, was die gebaute Umwelt mit unserer Psyche macht. Er sammelt Inspiration und Erfahrungen durch seine Patientinnen und Patienten in der Fliedner Klinik für seine Forschung, die an der Charité stattfindet. „So wie es um uns herum aussieht, sieht es oftmals auch in uns aus. Und die gebaute Umwelt hinterlässt Spuren – seelische.“ Ebenso die Natur, die soziale Umwelt und was um uns herum passiert, seien ganz wesentlich für unser emotionales Wohlbefinden. Dass Städte trotzdem aussehen wie sie aussehen, hinge auch damit zusammen, dass vieles unter unserem Bewusstseinsradar stattfinde.

Wie sollte das ideale Haus oder die ideale Stadt dann aussehen, damit positive Emotionen entstehen und das Stresslevel gesenkt wird? Eine Stadt ist, laut Adli, dann gut, wenn sie dem sozialen Stress, dem wir natürlicherweise in Städten ausgesetzt sind, etwas entgegensetzen kann und die Stadtgestaltung Möglichkeiten gibt, dem Stress entgegenzuwirken.

Grün ist unsere „happy colour“

Ein großer Faktor, der unser psychisches Wohlbefinden in der Stadt beeinflusst, sei die Begrünung und generell Grünfläche. Aus einer seiner Studien, die zusammen mit dem Umweltbundesamt durchgeführt wurde, berichtet Adli: „Je mehr prozentualer Anteil Grünfläche um die eigene Wohnadresse da ist, desto aktiver sind stressregulierende Hirnareale“ – und das ohne, dass es den Menschen bewusst sei.

Rudi Scheuermann hat bei Arup zuvor 15 Jahre die Fassadenplanung und das Envelope Design geleitet und ist so zur Begrünung von Gebäudehüllen und den Einflüssen von Grün auf den Menschen gekommen. Er führt an, dass Stadtbegrünung neben den generell messbaren Effekten wie Luftreinigung und Reduktion der Stadtaufheizung auch die Akustik verbessere: „Pflanzen bzw. das Substrat auf dem die Pflanzen wachsen, helfen die Akustik in der Stadt positiv zu beeinflussen“. Der Umgebungslärm werde deutlich gedämpft.

Dem Stress entfliehen, aber wohin?

Eine andere Form von Stress, die uns vor allem in der Stadt an die Psyche gehe, sei der soziale, meint Adli. Der entstehe durch das Zusammenleben auf begrenztem Raum (Dichtestress), aber auch durch das Fehlen von sozialen Kontakten durch die Anonymität der Stadt (Isolationsstress). Dem könne man auch mit der richtigen Stadtgestaltung entgegenwirken.

Scheuermann nennt Breakout Areas – kleine Naherholungsräume – dafür als eine Lösung. Wichtig sei, dass wir selbst entscheiden können, ob wir uns dem Stress der Stadt aussetzen, oder das Treiben aus einer ruhigen Position beobachten möchten. Alleine das Wissen darüber, dass man eine Wahl hat, sei ganz elementar für unser Wohlbefinden und Stresslevel.

Zusammengefasst heißt das: Wir brauchen attraktive Räume für Ruhe, aber auch für Begegnung und Interaktion gegen sozialen, krankmachenden Stress. Sowohl innen als auch außen und mit vielen Pflanzen und Grünflächen für eine gesunde Stadtumgebung.

Themenraum zur emotionalen Stadt beim DGNB Jahreskongress 2023

Wer das gesamte Gespräch im Themenraum „Die emotionale Stadt: Wie Stadtleben und psychische Gesundheit zusammenhängen“ verfolgen möchte, findet die Aufzeichnung zum Nachschauen auf dem DGNB YouTube-Kanal.

 


Sie wohnen oder sind länger zu Besuch in Berlin? Dann helfen Sie gerne mit, eine emotionale Stadtkarte unserer Hauptstadt zusammenzusetzen. Die bürgerwissenschaftliche Studie heißt „Deine emotionale Stadt“. Mehr Informationen dazu finden Sie hier: www.futurium.de/de/deine-emotionale-stadt


Weitere Beiträge zur Blogserie:


Titelbild: © Silviu on the street auf Pixabay; bearbeitet durch Tamira Bethke

1 Kommentare

  1. Spannender Beitrag. Aber macht auch völlig Sinn. Deshalb fühl man sich mancherorts einfach wohl und dann gibt es Gegenden, die einen einfach deprimieren… Ich bin im Osten Berlins aufgewachsen – ich weiß also, wovon ich rede 😀 Liebe Grüße und weiter so!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert