Unsere Städte müssen sich verändern, um den klimatischen Anforderungen gerecht zu werden. Und damit müssen auch wir unser Leben und unser Verhalten ändern, um die Klimaanpassung in Städten zu ermöglichen. Konkrete Maßnahmen und erste Ideen haben Prof. Matthias Rudolph, Paul Eldag, Gerhard Hauber und Rolf Messerschmidt im Rahmen des diesjährigen digitalen DGNB Jahreskongresses vorgestellt.
BLOGSERIE ZUM DGNB JAHRESKONGRESS 2023 (TEIL 3)
Am 14. und 15. Februar fand der zweite digitale Jahreskongress der DGNB statt. In Impulsen und Gesprächsrunden wurden hier Entwicklungen zu vielfältigen Aspekten des nachhaltigen Bauens besprochen. Die Blogserie gibt einen Rückblick und fasst zentrale Botschaften zusammen. Im nächsten Beitrag steht die emotionale Stadt im Fokus.
„In unseren Städten wird es immer wärmer, und auch wenn wir geographisch immer an der gleichen Stelle bleiben werden, so rücken wir klimatisch in immer wärmere Gebiete vor. Unsere Städte sind gebaut und wir brauchen Lösungen“, sagt Prof. Matthias Rudolph. Und genau hier forscht der Professor für Gebäudetechnologie und klimagerechtes Entwerfen in der Fachgruppe Architektur an der Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart.
Das Forschungsprojekt: Convertible Urban Shades – Mikroklimastrategien zur Anpassung an den Klimawandel. Die Idee dahinter ist, im Sommer tagsüber den Straßenraum zu verschatten, um diesen dann nachts zu öffnen und so für Abkühlung in der Stadt zu sorgen.

Bild von Francisco Leão auf Pixabay
Diese Idee ist nicht neu, gerade in südlichen Ländern sind lokale Verschattungen seit Jahrzehnten in der Anwendung. Neu sind jedoch die Materialien, mit diesen die Verschattung realisiert werden soll. Es gibt einfache Lowtech-Lösungen wie eine textile Struktur, oder aber Hightech-Lösungen wie bspw. ein wandelbares Membrandach, das je nach Bedarf angepasst werden kann. Die Beschaffung der Materialien, die Widerstandsfähigkeit dieser bei extremen Wetterlagen, aber auch die Reinigung sind Themen, die es noch zu betrachten gilt.
Fokus auf den Zwischenraum für mehr Aufenthaltsqualität in Städten
Der Vorteil gezielter Verschattung ist, dass in Städten lebenswerte Zwischenräume geschaffen werden, in denen sich die Bewohner und Besucherinnen während extremer Hitze aufgehalten können. Neben textiler Verschattung sind vor allem Bäume die ideale Lösung. Denn sie geben Schatten und schaffen dadurch unter ihnen eine deutlich angenehmere Oberflächentemperatur.
„Bäume und textile Verschattung sind an einzelnen Plätzen realisierbar und dort gezielt gut für das Mikroklima, wir schaffen Cool Spots in der Stadt, die es allen Bewohnern möglich macht am städtischen Leben teilzunehmen“, so Rudolph. Eine grundlegende Veränderung des Stadtklimas ist durch diese gezielten Maßnahmen jedoch noch nicht erreicht.
Dringlichkeit saisonal bedingt
Das Stadtklima an sich ist kein neues Thema, es hat jedoch durch die extremen Wetterlagen eine neue Dynamik bekommen. Und es hat neue Buzzwords auf die Agenden der Städte und Kommunen gebracht. Von „Bäumen im Trockenstress“ oder „Städten im Hitzestress“ ist dort die Rede – und von der Schwammstadt als eine der Lösungen.
Zu berücksichtigen ist dabei jedoch auch immer das subjektive Empfinden, das je nach Saison unterschiedlich bewertet wird. In einer Hitzewelle sind wir eher bereit über Verschattungen nachzudenken und diese Vorschläge zu akzeptieren als im Winter. Aber nicht nur das, auch den Wohnort gilt es dabei zu beachten. Laut Paul Eldag, Leiter Baulandentwicklung, Niedersächsische Landgesellschaft mbH, spielt es eine Rolle, ob man sich im städtischen oder kommunalen Umfeld bewegt, weshalb die Kommunikation mit allen Beteiligten ein wesentlicher Faktor für den Erfolg oder Misserfolg von klimatischen Anpassungen im Außenraum ist.
Wasser anders denken
„Schwammstädte sind in unseren Infrastrukturen machbar, bringen aber viele Herausforderungen mit sich“, betont Rolf Messerschmidt, Architekt und Stadtplaner bei Eble Messerschmidt PartGmbB. „Wir müssen Flächen neu definieren, klug überlegen, wo Bäume und Pflanzen wirklich eine gute Lösung sind und wie wir die bereits gebauten Gebäude in diese Maßnahmen intergieren.“ Essenziell sei vor allem der Umgang mit dem Thema Wasser. „Themen wie Grauwasserrecycling, und vor allem auch eine neue Kreislaufführung von Wasser, müssen in den Fokus dieser Überlegungen rücken“.
Aus diesem Grund plädiert Gerhard Hauber, Geschäftsführender Partner bei Ramboll Studio Dreiseitl Überlingen dafür, dass eine hydraulische Gesamtbetrachtung von Anfang an in den Planungsprozess integriert wird. Denn dann, wenn wir Wasser brauchen, ist es oftmals nicht in den Mengen verfügbar, wie beispielsweise Regenwasser. Deswegen setzt er in der Betrachtung auf Grauwasser, denn dieses ist immer verfügbar und sorgt so für resilientere Wasserkreisläufe. „Wasserarme Pflanzen, Pflanzen, die ohne künstliche Bewässerung auskommen, sind das Ziel. Doch das ist nicht so einfach umsetzbar, da Pflanzen vor allem in den Städten mit extremen Anforderungen wie der Bodenbeschaffenheit oder den Schadstoffen durch Abgasen, konfrontiert sind. Zudem haben die Pflanzen und Bäume oft keine Zeit, sich in Ruhe zu entfalten, so Hauber weiter.
Wie wollen wir morgen leben?
„Viele Maßnahmen, die wir heute schon angehen oder in Zukunft angehen werden, ergeben am Ende das Bild Nachhaltigkeit“, so Paul Eldag. Aus diesem Grund müsse für Akzeptanz geworben werden, wenn es um Klimaneutralität, Klimaanpassungen in Kommunen und Städten gehe. Die Bürger fordern mehr, wollen mehr und das ist ein wichtiger Schritt. Hilfestellungen gibt hier die Initiative „Klimapositive Städte und Gemeinden“ der DGNB, die für gelebte Nachhaltigkeit, konkreten Klimaschutz und mehr Lebensqualität in Kommunen steht.
Kommunikation und Partizipation seien der Schlüssel beim Stadtumbau, betont auch Rolf Messerschmidt; das Thema Klima müsse mehr ins Bewusstsein rücken, nicht nur dann, wenn es akut ist, denn so entstehen nur schnelle Lösungen, aber keine nachhaltigen.
Weitere Beiträge zur Blogserie
- Der DGNB Gebäuderessourcenpass: Dokumentation für mehr geschlossene Kreisläufe
- Biodiversität schützen – von gut gemeint zu gut gemacht
Titelbild: © Anja auf Pixabay; bearbeitet durch Henny Müller
Spannender Artikel! Ich denke auch, dass sich unsere Städte und im Grunde unser gesamtes Handeln und Denken definitiv verändern müssen, um den aktuellen klimatischen Anforderungen gerecht zu werden. Ich finde es schön, dass hier tatsächlich mal ein paar konkrete Maßnahmen und erste Ideen vorgestellt werden, statt nur „zu meckern“ 🙂
Besten Dank dafür!
Klimaanpassung ist notwendig. Wie aber passen Glasfassaden, wie sie immer noch massenhaft verbaut werden dazu? Im Winter mögen solare Energiegewinne möglich sein, aber der Wärmedurchgang 3-4 mal höher als durch Wände. Im Sommer Ist Verschattung nötig, zusätzliche Kühlung.
Alles wenig nachhaltig im Vergleich zu nicht-transparenten Wänden!?
DIe FGNB vergibt aber „Gold-Siegel“ für nachhaltiges Bauen für genau solche Glas-Paläste. Gibt es hierzu wissenschaftliche Erklärungen?