In der öffentlichen Wahrnehmung werden mit DGNB, LEED und BREEAM drei der weltweit führenden Systeme zur Zertifizierung von nachhaltigen Gebäuden häufig in einem Atemzug genannt, gleichgesetzt und für austauschbar befunden. Dabei gibt es neben den offensichtlichen Gemeinsamkeiten einige fundamentale Unterschiede. In einer Blogserie stellen wir diese vor.
Der erste Teil der Blogserie beschäftigte sich mit einigen grundsätzlichen Eigenschaften der Systeme. Im zweiten von drei Teilen geht es neben weiteren Unterschieden auch um eine Reihe von Gemeinsamkeiten.
5) Auszeichnungsformen
Unterschiede zwischen den Zertifizierungssystemen gibt es auch bezüglich der Bezeichnung der Auszeichnungsstufen. Während die DGNB und LEED Auszeichnungen in Platin, Gold und Silber (Bronze bei der DGNB nur für Bestandsgebäude) vergeben, setzt BREEAM auf „Herausragend“, „Exzellent“ und „Sehr gut“ als höchste Auszeichnungsstufen. Welches Ergebnis ein Projekt erzielt, hängt in allen Fällen von dem Gesamterfüllungsgrad ab, der über die diversen in den Systemen adressierten Kriterien erzielt wird.
Auch wenn die DGNB und LEED die gleiche Auszeichnungslogik verwenden, so sind die Ergebnisse in den Zertifizierungen nur eingeschränkt vergleichbar, da beide auf unterschiedlichen Kriterien und Zielwerten beruhen. Das DGNB System gilt weltweit als das umfassendste, womit eine Zertifizierung in einer der höchsten Auszeichnungsstufen eine entsprechend hohe Nachhaltigkeitsqualität am besten dokumentiert. Außerdem bietet die DGNB als einziges System eine anschauliche Visualisierung des erreichten Zertifizierungsergebnisses in Form einer Bewertungsgraphik für die weitere Kommunikation an.
6) Non-Profit vs. Privat
Die DGNB als Verein ist eine Non-Profit- und Non-Governmental-Organisation mit rund 1.200 Mitgliedsorganisationen, die sich der Förderung von nachhaltigem Bauen verpflichtet hat. Dies gelingt zum einen über die DGNB Akademie, die weltweit Fort- und Weiterbildungsangebote zum Experten für nachhaltiges Bauen anbietet. Zum anderen erfolgt dies über das Zertifizierungssystem, das als zentrales Werkzeug dazu dient, die Ideen des nachhaltigen Bauens in die Planungs- und Baupraxis zu überführen. Sämtliche Inhalte, die im DGNB System verankert sind, fußen auf dem langjährigen, ehrenamtlichen Engagement einiger Hundert führender Experten aus allen Bereichen der deutschen Bau- und Immobilienwirtschaft. Dabei sorgen die Experten dafür, dass die Anforderungen in den diversen Kriterien kontinuierlich auf dem neuesten Stand gehalten werden und neue Themen adressiert werden, die das Potenzial haben, positive Nachhaltigkeitsimpulse zu setzen. Die Abwicklung der Zertifizierung erfolgt über die DGNB GmbH, die eine 100-prozentige Tochtergesellschaft des Vereins ist.
BREEAM wurde durch das britische Forschungsinstitut Building Research Establishment (BRE) entwickelt und wird in Deutschland wie auch in anderen Ländern über ein Lizenzierungsverfahren durch private Organisationen national vertrieben. Hinter LEED steht inhaltlich das U.S. Green Building Council (USGBC). Die internationalen Vertriebsaktivitäten werden teilweise über nationale Ausgründungen des GBCI (Green Building Certification Inc.) koordiniert und betrieben. GBCI ist ein For-Profit-Tochterunternehmen des USGBC, welches neben LEED auch noch andere Zertifizierungsprodukte wie beispielsweise WELL, PEER oder Parksmart anbietet, die nicht vom USGBC entwickelt oder weiterentwickelt werden bzw. teilweise erworben wurden.
7) Vielfalt an Nutzungsprofilen und Systemvarianten
Allen Zertifizierungssystemen gemein ist das Angebot einer Vielzahl unterschiedlicher Systemvarianten (z.B. Planung, Neubau, Bestand, Betrieb, Sanierung) und Nutzungsprofilen (z.B. Büro- und Verwaltungsgebäude, Industriebauten, Bildungsbauten). Dies ist wichtig, damit eine Zertifizierung tatsächlich als Planungs- und Optimierungstool angewandt werden kann, da nur so die projektspezifisch richtigen Kriterien und Benchmarks zum Einsatz kommen können. Je nach Gebäudetyp werden demnach unterschiedliche Kriterien adressiert bzw. andere Kennwerte in den einzelnen Kriterien und Indikatoren zu Grunde gelegt. Die konkrete Zahl der Nutzungsprofile variiert zwischen den einzelnen Anbietern. Das Angebot wird dabei kontinuierlich weiterentwickelt. So gibt es bei der DGNB seit 2016 unter anderem ein Zertifikat für Gebäude im Betrieb sowie ein neues, komplett überarbeitetes System im Bereich Sanierung. Hinzu kommen relativ neue Nutzungsprofile für Innenräume, Sporthallen, Resorts und Vertical Cities.
Das Besondere an der DGNB ist, dass sämtliche Weiterentwicklungen genutzt werden, um die einzelnen Systemvarianten so gut es geht zu harmonisieren und Synergien zwischen den verschiedenen Zertifizierungsformen zu ermöglichen. Die neue Version 2018 für Neubauten ist beispielsweise für neun verschiedene Nutzungen gültig. Zudem wurde die Durchgängigkeit zu den Systemen für Gebäude im Betrieb, Innenräume und Quartiere deutlich erhöht. Ganz neu wird auch das Verfahren „DGNB Flex“ angeboten. Bei diesem kann für Projekte, zu denen es kein spezifisches Nutzungsprofil gibt, projektindividuell eine Zertifizierungsgrundlage erstellt werden.
8) Aufwand und Kosten
Das DGNB System in der Version 2018 umfasst 37 Kriterien. Damit ist das DGNB System deutlich schlanker als die vergleichbaren Versionen von LEED (52 Kriterien) oder BREEAM (57 Kriterien) und unterstreicht die Zielsetzung der DGNB, nur solche Themen zu adressieren, die wirklich einen Beitrag dazu leisten, das Gebäude besser zu machen. Da bei der DGNB bei internationalen Projekten jeweils die regionalen Anforderungen der Zertifizierung zugrunde gelegt werden, entfallen zahlreiche Dokumentationsanforderungen bei Themen, die in den Zielländern bereits ausreichend regulatorisch geregelt sind. Überhaupt versucht die DGNB, möglichst nah bei den ohnehin im Bauprozess notwendigen Dokumenten zu bleiben, um die Anwendbarkeit des Zertifizierungssystems nicht unnötig zu erschweren.
Die Kosten für die Zertifizierung splitten sich bei allen Systemanbietern in die Beratung, unmittelbare Zertifizierungsgebühren für die Konformitätsprüfung und ggfs. Zusatzkosten durch Simulationen, Qualitätsmessungen oder Ähnliches auf. Die reinen Zertifizierungsgebühren sind abhängig von der Gebäudegröße und dem Nutzungsprofil. Ein größerer Teil der Kosten entsteht über die Dienstleistung der jeweiligen Auditoren bzw. Assessoren, die zur Begleitung des Projekts und zur Einreichung der Dokumentationsunterlagen benötigt werden. Wie hoch diese Kosten liegen, ist sehr individuell und richtet sich danach, in welchem Maße die Auditoren auch zu Beratungszwecken von den Bauherren eingesetzt werden.
Einen Unterschied gibt es in der Art der Ausbildung der Fachexperten. Während LEED eine Akkreditierung im Selbststudium ermöglicht, durchlaufen DGNB Auditoren eine modulare, praxisorientierte Fortbildung im Rahmen der DGNB Akademie. Zudem müssen sie sich regelmäßig weiterbilden, um ihre Lizenz zur Auditierung von DGNB Projekten zu behalten.
Im dritten und letzten Teil der Reihe geht es um eine Reihe inhaltlicher Besonderheiten, mit denen sich das DGNB System von den übrigen Systemen abhebt.