Von einem Staatssekretär zum „Tor zur Welt“ erklärt, mit wichtigen Architekturpreisen ausgezeichnet, von einem Oberbürgermeister als „echter Gewinn“ gelobt – der Campus Kottenforst wollte eine Art pädagogisch wertvolle Architektur realisieren und scheint damit Erfolg zu haben. Ein genauerer Blick auf das Projekt lohnt also.
Der Bauherr des Campus Kottenforst ist die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) – ein Bildungsdienstleister, dessen Hauptkunde das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) ist. Hier werden Menschen in den Bereichen Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung, Energie- und Umwelt sowie Förderung von Frieden und Sicherheit geschult, bevor sie zu Projekten in die gesamte Welt aufbrechen.
Es geht also um interkulturelle Kompetenz sowie um Fachwissen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Ein komplexer pädagogischer Kontext der Erwachsenenbildung. Für ein Architekturbüro, das hierfür einen Neubau entwerfen soll, stellen sich diverse Fragen: Kann ein Raum pädagogische Kraft entfalten? Welche Ansprüche muss ein Bildungsbau erfüllen? Wie vereint man unterschiedliche Disziplinen aus gestaltender Formgebung, Lernkultur und Wissensvermittlung?
Ganz nebenbei sollte das Projekt vorbildlich in Sachen Nachhaltigkeit sein, um Glaubwürdigkeit und Philosophie des Bildungsauftrags zu stärken.
Rhythmisch arrangierte Lernräume
Das Darmstädter Büro Waechter + Waechter gewann im Jahr 2014 den Wettbewerb und suchte alsdann eine „Architektursprache, die die Unruhe des Lernens ausdrückt – das ständige Suchen, Reflektieren, das Ausschweifen, das Neugierige, in alle Richtungen Schauende, dies trotz allem diszipliniert und mit systematischer Ordnung.“

Der Campus beinhaltet auch Übernachtungsmöglichkeiten. Der umliegende Wald bietet Raum für Entspannung. © GIZ von Haugwitz
Der darauffolgende Entwurf arrangiert parzellenartige Raummodule in rhythmischer Anordnung zu einem Cluster aus geöffneten Lernbereichen. Die Grundlage der Flächenaufteilung bildet ein Konstruktionsraster, das sich aus zwei Formen zusammensetzt: ein quadratisches Feld mit den Maßen 5,25 x 5,25 Meter, das ergänzt wird durch eine schmalere, rechteckige Abwandlung mit 3,50 x 5,25 Meter. Zeltartige Dächer schließen die zweigeschossigen Raummodule nach oben hin ab.
Für den so konzipierten Grundriss entwarfen die Planer eine Art Holzskelett. Das zweistöckige Gebäude liegt in einem Waldstück, Naturholzoptik sollte die Fassade dominieren. Die Innenräume verwenden zudem weiß lasierte Hölzer und geschliffenen Terrazzo, um eine freundliche Atmosphäre zu generieren.
Lernräume als Lebensräume
Die Pädagogik entwickelte sich im 20. Jahrhundert immer weiter weg vom Frontalunterricht in strengen Umgebungen. Heutige Konzepte betonen häufig Dynamik und Motivation. Dazu passt die pulsierende Kubatur des fertiggestellten Gebäudes, dessen helle Innenräume spontan ansprechen und der Mehrdimensionalität von Lehr- und Lernprozessen Rechnung tragen.

Der Campus ist knappe 20 Minuten von der Bonner Innenstadt entfernt. © Thilo Ross Fotografie, Heidelberg GIZM. von Haugwitz
Neben einer adäquaten Benutzeranmutung generiert der Neubau auch überdurchschnittlich gute Nachhaltigkeitsperformances. Das goldzertifizierte Gebäude weist eine hervorragende Ökobilanz auf, verzichtet in seiner Temperaturregulierung vollständig auf (teil-)halogenierte Kältemittel und verwendet Hölzer, Holzprodukte und Holzwerkstoffe, die zu 99,65 % aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammen.
Flexibilität ist Trumpf
Für einen nachhaltig realisierten Bildungsbau ist, neben hundertprozentiger Barrierefreiheit des Gebäudes, auch Flexibilität von besonderer Bedeutung. Die Crux: Energiekonzepte und die entsprechende TGA müssen sich einer flexiblen Nutzung anpassen. „Die größte Herausforderung war, das energetische Konzept in die Struktur zu integrieren“, erzählen Sibylle und Felix Waechter, „hierbei war es besonders wichtig, dass die einzelnen Rasterfelder einzeln gesteuert werden können, um eine möglichst flexible Belegung und Bespielbarkeit des Gebäudes zu ermöglichen.“

Holz in Naturoptik dominiert die Fassade. © GIZ von Haugwitz
Dafür fassten sie sämtliche unverrückbaren TGA-Installationen in zentralen Steigepunkten (also Bereichen der vertikalen Kabelverlegung) in den Kernen zusammen, ordneten sie einzelnen Nutzungseinheiten zu und trennten sie brandschutztechnisch voneinander ab. „Jedes Rasterfeld wird mit Hilfe der Regelungstechnik individuell angesteuert, sodass bei anderen Raumaufteilungen zukünftig keine aufwändigen baulichen Maßnahmen der Haustechnik erforderlich werden“, so die Architekten. „Damit wird für das Bildungsgebäude eine nachhaltige Nutzbarkeit möglich, die auf die zukünftigen Bedürfnisse und Notwendigkeiten von Ausbildungs- und Lehrkonzepten gut angepasst werden kann.“
Bonn als Hauptstadt der Nachhaltigkeit?
Für Dr. Joachim Stamp, stellvertretender Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen und Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration bringen die nachhaltigen Qualitäten des Baus in gewisser Weise sogar eine historisch eingebüßte Rolle der Stadt Bonn zurück. Bei der feierlichen Eröffnung des Gebäudes sagte der Politiker: „Der Campus Kottenforst ist ein klares Bekenntnis zu Bonn als deutscher Hauptstadt der Nachhaltigkeit und Entwicklungszusammenarbeit.“