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Wir müssen dies, wir müssen das, wir müssen jenes

Felix Jansen, Moderation Expo Real 2023

Ich kann es so langsam nicht mehr hören. Wer sich wie ich, einerseits stark für mehr Nachhaltigkeit einsetzt und andererseits recht häufig Diskussionsrunden moderiert, dem begegnet es immer wieder: dieses lästige „Wir müssen“. Meine Theorie: Es nützt niemandem was. Außer vielleicht denjenigen, die es aussprechen.

Aber der Reihe nach. In der vergangenen Woche durfte ich im Rahmen der Immobilien- und Investorenmesse Expo Real wieder zwei Runden moderieren. Diese liefen im Prinzip auch gut, waren kurzweilig – so zumindest das zahlreiche Feedback, das ich im Anschluss bekam. Und weitgehend würde ich dem auch zustimmen. Wäre da nicht diese Unart, die bei solchen Podien gerne einmal um sich greift.

Wir müssen mehr tun, heißt es dann. Wir müssen schneller handeln. Wir müssen was auch immer. Um sicher zu gehen, dass die Dringlichkeit des „Wir müssen“ auch wirklich ankommt, erhebt sich die Stimme, sie wird lauter und eindringlicher. Denn wir müssen ja. Und alle sollen es doch endlich begreifen.

Wer ist „Wir“ beim „Wir müssen“-Appell?

Doch kommt davon irgendwas an? Ich denke eher nicht. Stattdessen hat sich da eine Phrase eingebrannt, die irgendwie wichtig klingt, aber nichts bewirkt, außer einem guten Gefühl für diejenigen, die es gesagt haben. Das gilt meiner Meinung nach insbesondere dann, wenn noch ein weiteres Phänomen hinzukommt: wenn die gestellten Fragen überhaupt nicht mehr beantwortet werden. Nach einem Halbsatz zur Frage kommt dann ein „Was ich noch sagen wollte“ und er geht los, der Appell für was auch immer. Zu groß scheint der innere Druck, das aufgestaute „Wir müssen“ loszuwerden.

„Ja und, was will er uns hier sagen?“, fragen Sie sich vielleicht. Meine feste Überzeugung ist, dass dieses „Wir müssen“ gar nichts erreicht. Denn wer genau ist mit „wir“ gemeint? Eine undefinierte Gruppe von Menschen. Aber meint es mich als Zuhörenden auch? Und wenn ja, bin dann ausgerechnet ich die Person, die muss? Irgendwer aus diesem Wir-Konstrukt wird sich doch schon kümmern, oder? Eine Gruppe, in der man sich prima verstecken kann. Alleine kann man es ja ohnehin nicht lösen. Und dass der Appell meist auf etwas Unkonkretes auf der Metaebene abzielt, kommt noch erschwerend hinzu.

Nachhaltigkeit braucht echte Aktion

DGNB Publikation: Wegweiser für einen klimapositiven Gebäudebestand Titelbild

Wer jetzt sofort etwas tun will, findet zahlreiche Anknüpfungspunkte wie etwa in der DGNB Publikation „Wegweiser für einen klimapositiven Gebäudebestand“ unter www.dgnb.de/publikationen

Die Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz brauchen echte Aktion. Oder genauer Menschen, die auch tatsächlich aktiv werden, die ihr Handeln überdenken und besser machen. In ihrem ganz persönlichen Wirkungsgrad. Hier und jetzt und nicht irgendwann in ferner Zukunft. Dabei geht es gar nicht darum, direkt alles perfekt zu machen. Aber immer wieder ein Stück weit besser.

Und zweifelsfrei braucht es bei jedem von uns diese Momente, in denen es Klick macht. In denen wir uns selbst hinterfragen und loslegen mit diesem Bessermachen. Vielleicht auch, weil andere uns begeistern, inspirieren, überzeugen. Das gelingt aber sicher nicht mit einem laut vorgetragenen „Wir müssen“. Eher mit Fingern (oder besser noch ganzen Händen), die in Wunden gelegt werden. Mit Spiegeln, die schonungslos vorgehalten werden. Die die Zuhörenden dazu bringen, ihre Komfortzone für einen Augenblick zu verlassen. Situationen, die dazu führen, dass man sich und sein eigenes Handeln ganz persönlich kritisch hinterfragt.

„Es braucht bei jedem von uns diese Momente, in denen es Klick macht.“

Eine Moderation oder ein Vortrag sind für mich dann erfolgreich, wenn auch nur eine Person aus dem Publikum danach zu mir kommt, und den Austausch sucht. Weil ich einen wunden Punkt getroffen habe. Weil es Klick gemacht hat. Mit „Wir müssen“ ist mir das jedenfalls noch nie gelungen.

Wenn einige von Ihnen, die das hier lesen, bei der nächsten Veranstaltung nachbohren und sich nicht zufrieden geben mit im Raum verhallenden „Wir müssen“-Mahnrufen, wäre auch schon etwas erreicht. Fragen Sie nach: Wer ist dieses „Wir“ genau? Wer handelt da wirklich? Und was konkret passiert als nächstes, damit das, was „wir müssen“ auch Realität wird. Für weniger Blabla auf den Podien.

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Felix Jansen leitet die Abteilung PR, Kommunikation und Marketing bei der DGNB. Zuvor war der Kommunikations- und Medienwissenschaftler in zahlreichen Unternehmen und Organisationen für die Kommunikation verantwortlich, unter anderem für die internationale Start-up-Initiative CODE_n, die GFT Group, den Exzellenzcluster SimTech der Universität Stuttgart und die MFG Baden-Württemberg.

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