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Zum Earth Overshoot Day: Mehr wagen für mehr Klimaschutz

Der Earth Overshoot Day markiert das Datum, an dem wir, die Gesamtheit der Menschen, mehr an natürlichen Ressourcen verbraucht haben als unser Planet im gesamten Jahr selbst erneuern kann. Dass dies im Jahr 2018 der 1. August ist, sollte uns alle dringend nachdenklich stimmen. Warnsignale gibt es genug. Nur beim Umsetzen von ausreichend vielen Gegenmaßnahmen hapert es gewaltig.

Dabei haben wir in puncto Klimaschutz ein kollektives Ziel aller Staaten, seit im Dezember 2015 das Übereinkommen von Paris geschlossen wurde. Es geht um die Begrenzung der globalen Erwärmung auf ein „verträgliches Maß“. Nur wie sieht die Realität aus?

Schauen wir nach Deutschland: In der Vergangenheit ist es auf nationaler Ebene gelungen, die Treibhausgasemissionen zu senken, besonders in den 1990er und den 2000er Jahren. In den 2010er Jahren ist der Beginn der Energiewende als wesentlicher Erfolg zu bewerten. Seitdem jagt eine Höchststandsmeldung zum Anteil erneuerbare Energien an der Stromerzeugung die nächste. Für den Gebäudebereich sind verschärfte Anforderungen an den Energiebedarf seit 2016 zu erfüllen – für den Neubau. Und Fördermitteltöpfe in Sonderprogrammen sind gut gefüllt. Nur was ist der Effekt?

Positive Effekte werden konterkariert

Ein Blick auf die aktuelle deutsche Treibhausgasbilanz des Umweltbundesamtes zeigt: Seit 2009 kann von einer Stagnation gesprochen werden. Zwar reduzierte die Energiewirtschaft ihre Emissionen im Vergleich zum Vorjahr um 4 Prozent, wettgemacht wird dieser Rückgang jedoch durch steigende Emissionen im Verkehr und in der Industrie, Wirtschaftswachstum sei Dank. Die energiebedingten CO2-Emissionen der Haushalte sind auf dem genau gleichen Niveau wie im Vorjahr. Die Sanierungsquote liegt in Deutschland bei nur rund 1 Prozent. Von den Erfolgen der Energiewende kommt also praktisch nichts im privaten Bereich an. Von den Sonderprogrammen des Bundes zur Förderung des Klimaschutzes, der Elektromobilität und von finanzschwachen Kommunen wird nur ein Bruchteil tatsächlich abgerufen. Und das deutsche Klimaschutzziel für 2020 wird – wenn nicht noch ein Wunder passiert – eklatant verfehlt.

Fakt ist also: Die aktuellen Maßnahmen wirken nicht. Das Erreichen der deutschen Klimaschutzziele rückt in weite Ferne. Doch wen betrifft das eigentlich? Es betrifft ganz konkret unsere Kinder und Enkelkinder, die massiv in Wiedergutmachungszahlungen und Schadensbekämpfung investieren müssen, ausgelöst durch die dann spürbaren Auswirkungen des Klimawandels. Es betrifft Millionen von Menschen in weniger privilegierten Regionen, denen der Klimawandel die Lebensgrundlage genommen haben wird. Es betrifft unsere Industrie, die weiter versucht, alte Technologien bis zur Abschreibung der Investition zu verkaufen, und dann abgehängt von weniger risikoorientierten und mehr zukunftsorientierten Ländern ein Schattendasein fristen wird. Technologieführerschaft war einmal.

Klimaschutz und der Immobiliensektor: Eine Geschichte voller Missverständnisse

Doch warum bewegt sich gerade im Immobilienbereich so wenig? Ein Grund liegt in dem Missverständnis, dass Energieeinsparung und damit Klimaschutz und Bezahlbarkeit nicht miteinander vereinbar seien. Missverständnis, weil genügend Studien die Gründe für die besonders in Ballungszentren horrend gestiegenen Kosten für Immobilien in hohen Bodenpreisen und Spekulationstreiben belegt sehen. Ein weiterer Grund liegt darin, dass besonders im Neubau eher selten mittel- bis langfristige Perspektiven eingenommen werden, die es bei einer rein wirtschaftlichen Rechnung für Investitionen in Energieeinsparungsmaßnahmen häufig benötigt.

Direkt befragt gibt es kaum einen Bauherrn oder Investor, der den Klimawandel abstreitet oder Maßnahmen dagegen für sinnlos erklärt. „Es rechnet sich nicht“ ist die mit Abstand häufigste Antwort auf die Frage, warum nicht in Energieeinsparung, erneuerbare Energieerzeugung am Standort, Elektromobilität oder Speicherkapazität investiert wird.

Politische Rahmenbedingungen als Hebel für Veränderung

Der Beitrag von Gebäuden zu den aktuellen Treibhausgasemissionen ist enorm hoch. Das von der DGNB herausgegebene Rahmenwerk hilft, ungenutzte Potenziale aufzudecken.

Dieser Konflikt zeigt, dass das politisch vereinbarte und gesellschaftlich getragene Ziel zur Begrenzung der Erderwärmung nicht durch überzeugte Einzelpersonen allein erreicht oder nach den Gesetzen der Mikroökonomie gelöst werden kann. Es braucht eine Änderung der Rahmenbedingungen, in denen Förderpolitik, Ordnungsrecht und die Wissens- und Informationsvermittlung mit die wichtigsten Elemente darstellen.

Wir brauchen klare Signale von der Politik und den Mut, mehr zu wagen und neue Wege einzuschlagen. Es braucht zielgerichtete, flexible und praktikable politische Rahmenbedingungen für den Gebäudebereich, denn der Beitrag von Gebäuden zu den aktuellen Treibhausgasemissionen ist enorm hoch. Ordnungs- und Förderpolitik festigen die Investitionssicherheit in der Branche. Effektiv wirkende Lösungen existieren und müssen nicht erst entwickelt werden.

Wenn hier nicht ein Umdenken und Aktivwerden einsetzt, werden wir die Klimaschutzziele verfehlen. Nicht, weil wir keine Lösungen haben, sondern weil die Rahmenbedingungen zu wenig zielgerichtet sind. Klimaschutz geht uns alle an und duldet keinen Aufschub! Wir haben nur eine Erde, die gilt es zu schützen. Sonst müssen wir den Earth Overshoot Day künftig noch eher begehen.

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Anna Braune studierte Technischer Umweltschutz an der Technischen Universität Berlin und schrieb ihre Diplomarbeit über Ökobilanzen von Abwasseranlagen in Zusammenarbeit mit der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (Schweiz). Sie arbeitete für verschiedene Beratungsunternehmen im Bereich Nachhaltigkeit und Gebäudetechnik. Von 2004 bis 2007 war sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Stuttgart, am Lehrstuhl für Bauphysik, Abteilung Ganzheitliche Bilanzierung, tätig. Sie war Initiatorin und bis Ende 2008 die Gründungs-Geschäftsführerin der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB). Danach arbeitete sie beim Nachhaltigkeits-Beratungs- und Softwareunternehmen PE International, umbenannt seit 2014 in thinkstep. Als Principal Consultant war sie verantwortlich für das Team “Nachhaltiges Bauen” des Beratungsbereichs. Seit September 2015 arbeitet Anna Braune wieder für die DGNB, als Leiterin Forschung und Entwicklung.

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3 Kommentare

  1. Stefan Oehler sagt

    Es ist noch heftiger: der Overshoot Day 2018 für Deutschland ist der 2. Mai?

    An diesem Tag waren die nachhaltig nutzbaren Ressourcen für dieses Jahres verbraucht, seither lebt Deutschland auf Pump, also auf Kosten der zukünftigen Generationen und auf Kosten der ärmeren Länder, die einen kleineren ökologischen Rucksack haben und stärker von den Folgen betroffen sind. Deutschland muss seinen Ressourcenverbrauch demnach um 69 % reduzieren. Ein großer Schritt wären weniger Neubauten, mehr Sanierungen, keine Hochhäuser, mehr Holzkonstruktionen, langlebigere Gebäude, kein weiterer Anstieg der verfügbaren Fläche pro Person und der systematische Einstieg in ein umfassendes, echtes Recycling. Es gibt noch viel zu tun…

  2. Stefan Oehler sagt

    Korrektur zu meinem Kommentar: bei meiner Überschrift kein ? sondern ein !

  3. Mineralien regenerieren sich nicht!

    Vielen Dank für die deutlichen Worte, Frau Braune.
    Einen Aspekt will ich hier noch ergänzen: Der Earth Overshoot Day schaut nur auf die natürlichen, d. h. erneuerbaren Ressourcen. Bei der Frage, wie viel CO2 die Vegetation und der Ozean pro Jahr aufnehmen können und wie viel wir emittieren, lässt sich ein Verhältnis bilden und sagen: Das ist mehr als die Erde verarbeiten kann. Genauso bei der Frage wie viel Holz wir verbrauchen und wie viel nachwächst.
    Aber wie steht es mit Kalkstein und Ton (Rohstoffe für Zement), Sand, Kies, Eisenerz und Co? Nichts davon wird bei den Berechnungen des Earth Overshoot Day einbezogen, weil sich diese Materialien nicht regenerieren. Hier nutzen wir in immer stärkerem Maße Rohstoffe, deren Vorräte endlich sind. Würden alle Menschen auf der Welt das in dem Maß und auf die Art und Weise tun, wie es sich im globalen Norden etabliert hat, dann wären wir mit all diesen Rohstoffen in wenigen Jahrzehnten am Ende. Der Krieg um Sand hat aus diesen Gründen schon begonnen.
    Es ist also dringend geboten nachhaltig angebaute (ganz wichtig, sonst wird dem Raubbau Tür und Tor geöffnet) nachwachsende Rohstoffe zu nutzen, wo es möglich ist, und dafür zu sorgen, dass die endlichen Rohstoffe, da wo sie unumgänglich sind, recyclet werden. In dieser Reihenfolge.
    Land und Forst nachhaltig bewirtschaften, nachwachsende Rohstoffe vermehrt einsetzen, ressourcenschonende Innovationen bei Baumaterialien stärken und Kreislaufwirtschaft für alle Materialien etablieren: Es liegen Aufgaben von höchster Bedeutung vor uns.

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